taz🐾sachen
: Wortklauberei: Alles Nazis?

Seit Wochen rätseln deutsche Redaktionen, wer da Seit’an Seit’mit Glatzen in Springerstiefeln und 88-Tatoos gegen die Coronamaßnahmen der Bundesregierung anmarschiert. Sind das auch Nazis? Sympathisieren sie „nur“? Wollen sie einfach nur an einem lauen Novembertag spazieren gehen? Tatsache ist, dass die selbsternannten „Querdenker“ durchaus heterogen sind. Und die taz den Anspruch hat, sich nicht mit einfachen Worthülsen zufriedenzugeben. Wer sind die Leute, die vorm Reichstagsgebäude schreien, als gäbe es weder Pandemie noch Rechtsstaat? Und vor welchen dieser Menschen müssen wir als Gemeinschaft Angst haben? Corona­gegne­r:innen beschreibt sie nicht so gut, weil wir ja alle irgendwie gegen Corona sind, sofern wir Corona als Fakt anerkennen. Sind sie Co­ro­na­leug­ne­r:in­nen? Oder Co­ro­na­maß­nah­men­geg­ne­r:innen? Dürfen wir sie Covidio­t:in­nen nennen („Bitte nicht!“, ruft dann jemand drei Homeoffices entfernt)?

Auf taz.de haben wir den Schwerpunkt „Ver­schwö­rungs­theo­rien und Corona“. Der Titel ist umstritten. „Verschwörungstheorien gibt es nicht. Das sind VerschwörungsMYTHEN“, gebe ich gerne zu bedenken. Und es kommt zurück: „Das sehen andere anders.“ So funktioniert die taz. Wir halten Ambivalenzen aus, denken darüber nach, welchen Effekt nicht nur eine Nachricht, sondern die Worte auf uns und auf unsere Lese­r:in­nen haben. Im Gegensatz zu Co­ro­na­maß­nah­men­kri­ti­ke­r:in­nen/-leug­ne­r:in­nen/Eso­te­ri­ke­r:-in­nen/Impf­geg­ne­r:in­nen/Reichsbür­ge­r:in­nen/Nazis (nicht Covidiot:innen).

Johannes Drosdowski