Freunde des Glühweins

Die Kontroverse nach Andreas Bovenschultes vierter Corona-Regierungs-Erklärung bleibt mäßig: Vor der Demo von Virus-Fans betonen die Fraktionen den demokratischen Konsens

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard hat das Parlament aus Halle 7 vertrieben: Dorthin kommt jetzt das Impfzentrum Foto: Sina Schuldt/dpa

Von Benno Schirrmeister

Als am konfliktträchtigsten hat sich das Glühweinstand-Verbot der Dezember-Corona-Verordnung erwiesen. Weil in Halle 7 das Impfzentrum entsteht, tagte die Bremische Bürgerschaft am gestrigen Montag in der Stadthalle. Anlass dieser Sondersitzung war die vierte Regierungs-Erklärung von Andreas Bovenschulte (SPD) zu den zwischen Bund und Ländern ausgehandelten neuen Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen. Und insgesamt verlief sie, jenseits einer kurzen Punsch- und Grog­ausschank-Debatte in vorweihnachtlicher Harmonie: Thomas Röwekamp (CDU) hatte angeregt, an den entsprechenden Buden, anders als geplant, den Ausschank zu erlauben, so wie auch heiße Würstchen weiterhin verkauft werden.

Diese hätten aber keine enthemmende Wirkung, wandte Mustafa Güngör (SPD) zur Begründung des Verbots ein, während Lencke Wischhusen (FDP), die sich eine schleifende Aussprache angewöhnt hat, als hätte sie schon entsprechende Glühweinmengen intus, Röwekamp vorwarf, er sei inkonsequent. Schließlich habe er vergangenen Monat gegen die Weihnachtsmarkt-Öffnung plädiert, trete nun aber pro Punsch auf. Das kleine Scharmützel muss wohl eher als ein Schaukampf bewertet werden, der hatte belegen sollen: Um die Details muss weiter hart gerungen werden, im Parlament und im öffentlichen Diskurs – gerade auch, wenn die Notwendigkeit der Einschränkungen des öffentlichen Lebens der gesellschaftliche Konsens ist.

Dass der trotz aggressiver Hetze durch radikalisierte Demonstrierende im allergrößten Teil der bremischen Bevölkerung und des Parlaments herrsche, dafür hatte sich An­dreas Bovenschulte gleich am Anfang seiner Ansprache bedankt. Als „abstoßend, zynisch und dumm“ verurteilte der Bürgermeister die Vergleiche der Novelle des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungs-Gesetz der Nazis – und den Versuch so genannter Querdenker, sich mit Widerstandskämpfer*innen wie Sophie Scholl auf eine Stufe zu stellen. „Hier sind wir als Demokratinnen und Demokraten gefordert, klare Kante zu zeigen“, so Bovenschulte.

Für die Grünen beklagte Björn Fecker das fehlende Böllerverbot der Bund-Länder-Vereinbarung. Vor allem aber fragte er sich, ob er sich jetzt nachträglich über seinen eigenen Einsatz für die Versammlungsfreiheit grämen solle: Am kommenden Samstag soll nach dem Willen des Bündnisses Querdenken421 die Bürgerweide Schauplatz einer „Advents Mega Demo“ gegen die Pandemie-Bekämpfung sein. Nach eigenen Angaben mobilisieren sie dafür europaweit. Prominente Verschwörungstheoretiker mit oft ausgesprochen starkem Rechtsdrall stehen auf der Gästeliste. „Wir brauchen ein bundesweites Lagebild zu den so genannten Querdenkern“, forderte Fecker, wenigstens für polizeiliche Aufklärung zu sorgen.

„Abstoßend, zynisch und dumm“

Andreas Bovenschulte (Bürgermeister) über geschichtsvergessene Vergleiche der Querdenker

Mit der wäre es wohl eher möglich, den Virenfans ihren Aufmarsch zu verbieten, wie eine e-Petition ohne größere Aussicht auf Erfolg auf der Bürgerschafts-Site anregt. Schon seit zehn Tagen rufen mehrere linke Gruppen zur Gegenkundgebung auf. Auch das Wetter spielt mit: Es soll bei zwei bis drei Grad permanent regnen.

Unisono erteilten Fecker und Nelson Janßen (Die Linke) Gedankenspielen des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag eine Absage, der am Wochenende gefordert hatte, die Länder müssten sich stärker an den Kosten der Coronanotmaßnahmen beteiligen – obwohl sie doch die gesamte relevante gesundheitliche Infrastruktur finanzieren. Derartigen „Absetzbewegungen“ sollten sich die Länder geschlossen entgegenstellen, so Janßen – und sich stattdessen für eine gerechte Verteilung der auflaufenden Neuverschuldung stark machen, via Vermögensabgabe. Und dabei gehe es nicht darum der Oma ihr Klein-Häuschen anzutasten. „Es geht um das obere eine Prozent, dem 32 Prozent des Vermögens gehört“.

Wohl mehr aus Versehen klassenkämpferisch hatte sich auch die FDPlerin Wischhusen geäußert. Sie hatte sich ein Zitat von Albert Camus ergoogelt: Es stammt aus einer Rede, 1953 gehalten vor Schweizer Gewerkschaftern. In der hatte er – auf der Suche nach einem antistalin­istischen linken Weg – die Einsicht formuliert, dass Freiheit nicht in erster Linie aus Privilegien bestehe, sondern vor allem aus Pflichten. Eines aber sei klar, so der französische Philosoph damals weiter, „man baut die Freiheit nicht auf dem Elend der Arbeiter“.