polizei­gewalt in frankreich
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Macrons Innenminister ist isoliert

In Frankreich wird die Kritik an Übergriffen der Polizei immer größer, selbst in der Regierung

Aus Paris Rudolf Balmer

Nach den Kundgebungen gegen die Polizeigewalt und das neue Sicherheitsgesetz steht Staatspräsident Emmanuel Macron mit dem Rücken zur Wand. Trotz der einschüchternden und demobilisierenden Bedingungen des Covid-Lockdowns sind in Paris und zahlreichen Städten des Landes nach Angaben der Organisatoren fast 500.000 Menschen, meist maskiert, aus Protest gegen eine zunehmend repressive Ordnungspolitik und oftmals ungesühnte Polizeigewalt auf die Straßen gegangen.

In Paris lieferten Auseinandersetzungen am Rande der Demonstration mit mehreren zehntausend Teilnehmenden erneut die Beweis, wie dringend notwendig und legitim es ist, das Vorgehen der Polizei ebenso wie Provokationen oder gewalttätige Aggressionen gegen die Ordnungshüter zu filmen. Dass nicht alle das so sehen und akzeptieren, beweist ein Angriff auf den aus Syrien stammenden und für das Magazin Polka und die Agentur AFP arbeitenden Fotografen Ameer Al Halbi. Bei seiner Arbeit wurde er mit einem Polizeiknüppel am Kopf verletzt. Eine Kollegin publizierte ein Foto, das den für seine Bilder aus Aleppo ausgezeichneten Reporter mit blutigem Kopfverband und aufgeschlagenen Lippen auf dem Krankenhausbett zeigt. Sie erzählt, er habe wie sie ein Armband als Kennzeichen für die Medien getragen. Mit ihm habe er wie sie den angreifenden Polizisten vergeblich „Presse, Presse!“ zugerufen.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen in Frankreich (RSF) protestiert wegen dieses neuen Falls von „inakzeptabler Polizeigewalt“ gegen Journalist:innen. RSF-Generalsekretär Christophe Deloire hat dazu auf Twitter kommentiert: „Ameer ist wie andere syrische Journalisten nach Frankreich geflüchtet. Das Land der Menschenrechte muss sie beschützen und nicht einer Bedrohung aussetzen.“ Der französische Innenminister Gérald Darmanin dagegen protestierte ausschließlich wegen offiziell 62 Verletzten in den Reihen der Polizei. Die Zahl der Verletzten unter den Demonstrierenden kennt er offenbar nicht.

Nicht ohne Bedeutung ist angesichts der laufenden Debatte, dass Darmanin und auch sein Vorgänger Christophe Castaner auf Videos verweisen, die zeigen, wie Polizisten mit Wurfgeschossen und Motolowcocktails von „Casseurs“ angegriffen werden. Wenn auf Aufnahmen aber gewalttätige Beamte zu sehen sind, kommt dem Innenminister das Filmen ungelegen.

Laut Le Monde wächst selbst in den Reihen der Regierungspartei die Kritik an einer „autoritären“ Repression. Präsident Macron, der nicht sofort reagiert hat und erst spät wegen der Brutalität gegen den schwarzen Musikproduzenten Michel Z. von einem „inakzeptablen“ und „beschämenden“ Übergriff gesprochen hat, sei deswegen mittlerweile in eine „politische Krise“ geschlittert. Sein Innenminister Darmanin ist zusehends isoliert. Die Ministerin für Geschlechtergleichheit, Elisabeth Moreno, sagte, als Regierungsmitglied betrachte sie die Polizeigewalt gegen Michel Z. als „Schande“, als Frau und Schwarze aber sei sie „wütend“.