Islamist in Niedersachsen: Terrorpläne oder nicht?

Nachdem Niedersachsen kurzerhand einen mutmaßlichen Islamisten abgeschoben hat, wachsen Zweifel. Forderungen nach Aufklärung werden lauter.

Innenminister Pistorius redend vor einer blauen Wand

Hat den mutmaßlichen Islamisten abschieben lassen: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HAMBURG taz | Es war eine Überraschung, die Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) dem Landtag am Dienstagnachmittag kurzfristig mitteilte und die nun weitere Diskussionen nach sich zieht: Nach der Ingewahrsamnahme eines mutmaßlichen Islamisten aus Lüneburg, von dem laut Innenministerium eine akute Terrorgefahr ausgegangen sei, wurde er am Dienstag abgeschoben.

Wenige Stunden später gab Pistorius das im Landtag mit entschlossener Miene bekannt. Doch statt Applaus herrscht bei der Opposition Skepsis, ob die Gefährdungslage wirklich so groß wie von Pistorius beschrieben war. Laut Generalstaatsanwaltschaft habe es einen dringenden Tatverdacht gar nicht gegeben.

Noch immer halten sich Polizei und Innenministerium mit Informationen über die konkrete Anschlagsgefahr zurück. Marco Genthe, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, kritisiert, dass viele Fragen unbeantwortet seien. Im Innenausschuss soll Pistorius deshalb mit weiteren Informationen herausrücken, findet die FDP.

Sie beantragte deshalb eine Unterrichtung des Innenausschusses. „Es bleibt bei der Abschiebung eines Gefährders die Frage, ob damit das Problem einfach in ein anderes Land verlagert wird“, sagt Genthe.

Waren Straftaten konkret geplant?

Auch die Grünen hatten zuvor schon gemahnt, dass sich die Behörden bei der Einschätzung über die Gefährlichkeit sicher sein sollten. „Die Behörden müssen nachweisen, dass Gefährder tatsächlich Gefährder sind und Straftaten planen. Dann können sie auch in Untersuchungshaft genommen oder abgeschoben werden“, sagt Susanne Menge von den Grünen.

Das Innenministerium spricht bislang von einer „möglicherweise unmittelbar bevorstehenden islamistisch motivierten Straftat“, die verhindert worden sei. Aus „sicherheitsrelevanten sowie datenschutzrechtlichen Gründen“ würden keine weitergehenden Informationen herausgegeben.

Kritisch sind die Grünen, weil das Bundesverwaltungsgericht im Januar die Einstufung eines Göttingers als Gefährder kassiert hatte. Auch den wollten die niedersächsischen Behörden abschieben. Die Richter*innen konnten aber keine Gefährlichkeit erkennen.

Nun scheint es so, dass der Mann zumindest nicht mit einer konkreten Tatausführung begonnen hatte, als er in Gewahrsam genommen wurde. „Es besteht weiter ein Anfangsverdacht, aber es zeigte sich kein dringender Tatverdacht“, sagt Bernd Kolkmeier, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Celle.

Weil eine Festnahme nach Strafgesetzbuch deshalb nicht möglich war, wurde er offenbar kurzerhand abgeschoben. Laut Pistorius sollte das ohnehin passieren. In welches Land er abgeschoben wurde, ist unbekannt.

Ob die Generalstaatsanwaltschaft überhaupt noch mit den Ermittlungen für Aufklärung über die mögliche Gefährdungslage sorgen kann, ist ungewiss. „Der Anfangsverdacht wird weiter geprüft, soweit das möglich ist“, sagt Kolkmeier. Dazu befragen lässt sich der mutmaßliche Islamist wegen der Abschiebung wohl nun nicht mehr.

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