Rechtsextreme Soldaten: Geheimdienste schauten weg

Rechtsextreme Soldaten und Polizisten konnten sich bewaffnen und vernetzen. Ein Bundestagsgremium kritisiert die Geheimdienste nun scharf.

Das Kommando Spezialkräfte KSK der Bundeswehr bei einer Vorführung

Das Kommando Spezialkräfte KSK der Bundeswehr bei einer Vorführung in einem Ausbildungszentrum Foto: Björn Trotzki/imago

BERLIN taz | Seit zwei Jahren untersucht das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) im Bundestag, warum sich über Jahre hinweg Rechtsextremisten bewaffnen, Straftaten planen und dafür ihren Status als Soldaten oder Polizisten nutzen konnten. Jetzt liegt intern ein Entwurf der zusammengefassten Ergebnisse vor.

Darin stellt der ständige Bevollmächtigte des Gremiums kein gutes Zeugnis aus: Nach taz-Informationen sieht das Geheimdienstgremium erhebliche Mängel bei der Aufklärung rechtsextremistischer Tendenzen in Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr und fordert die Nachrichtendienste auf, enger zusammenzuarbeiten.

Anlass der Untersuchung waren Franco A. und die Preppergruppe Nordkreuz. Franco A. ist der Bundeswehrsoldat, der im Verdacht steht, als syrischer Flüchtling getarnt Attentate geplant zu haben. Zwei Nordkreuz-Mitglieder sollen mutmaßlich Feindeslisten geschrieben haben, um am Tag X zu töten.

Die taz und andere Medien hatten nach langwierigen Recherchen berichtet, dass die Fälle Teil eines rechten Netzwerks sind. Darin trafen sich Spezialkräfte aus Bundeswehr, Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, mal persönlich für Waffentrainings oder virtuell über Chatgruppen. Sie agierten mal konspirativ, mal öffentlich, etwa als Mitglieder des Vereins Uniter. Kopf des Netzwerks ist André S., ein inzwischen ehemaliger Soldat des Kommandos Spezialkräfte. Er nennt sich selbst „Hannibal“.

Erhebliche Mängel bei der Aufklärung

Der Bericht beschreibt, wie Mitglieder der norddeutschen Gruppe Nordkreuz sich auf den Zusammenbruch staatlicher Strukturen vorbereiteten. Gemeint sind festgelegte Zufluchtsorte, Depots, Waffenlager, und Fluchtpläne. Der Bericht findet für die Vorgänge einen starken Begriff: „rechtsextreme Siedlungspläne“.

Gewicht bekommen diese Siedlungspläne durch eine weitere Feststellung: Sowohl in der Bundeswehr als auch in Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind „trotz bestehender Sicherheitsüberprüfungen“ Beschäftigte mit rechtsextremistischen und gewaltorientiertem Gedankengut tätig.

Auch im Falle des Vereins Uniter ist die Einschätzung inzwischen deutlich: Er wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. Neu ist, dass es laut Bericht auch Anhaltspunkte für rechtsextreme Bestrebungen beim Vereinsgründer und Kopf des Netzwerks, André S., selbst gibt.

Lange hatten es die Nachrichtendienste abgelehnt, die einzeln bekanntgewordenen Fälle als „Netzwerk“ zu betrachten. Mal weil sie nicht ausreichend kooperierten. Aber auch, so stellt es der Bericht fest, weil Sicherheitsbehörden keine einheitliche Definition für den Begriff „Netzwerk“ hatten. Inzwischen ist unstrittig, dass Verbindungen zwischen den einzelnen Fällen bestehen.

Viele Rechtsextreme, aber ab wann ist das ein Netzwerk?

Laut Bericht stehen eine „Vielzahl handelnder Personen“ aus dem Komplex in Verbindung zu rechtsextremistischen Bestrebungen, wie etwa der Identitären Bewegung, dem „Flügel“ der AfD, der NPD oder Kameradschaften. Antisemitismus trete „an vielen Stellen zutage“.

Mehrmals hat das PKGr den Untersuchungsgegenstand ausgeweitet. So untersucht der Ständige Bevollmächtigte auch, ob Informationen über den mutmaßlichen Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke vom Verfassungsschutz ausreichend verarbeitet wurden. Zudem möchte das Gremium wissen, wieso Munition und Waffen aus Bundeswehrbeständen verschwinden können.

Dem Bericht liegen aufwendige Recherchearbeiten zugrunde: Zahlreiche Befragungen, Aktenstudien und viele geheime Details flossen in die Analyse. Auch mit Verweis auf laufende Strafverfahren werden die allermeisten Erkenntnisse nicht veröffentlicht werden. Am Mittwoch stand die Beratung über den Entwurf des Kurzberichts auf der Tagesordnung des geheim tagenden PKGr.

„Mängel in der professionellen Distanz“

Streckenweise liest sich der Bericht wie ein grundsätzlicher Tadel des Bundeswehrgeheimdienstes MAD. „Das BAMAD ist Teil der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland und muss diese Aufgabe auch praktisch wahrnehmen.“

Einerseits wird der MAD aufgefordert, Informationsflüsse zu Verfassungsschutz und polizeilichen Ermittlern zu verbessern. Andererseits attestiert der Bericht „Mängel in der professionellen Distanz“, etwa weil Informationen über Ermittlungen gegen einen KSK-Soldaten vom MAD an Kameraden des Beschuldigten abgeflossen waren.

Mehrfach kommt der Bericht zu dem Schluss, dass Nachrichtendienste sich damit begnügten, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu unterstützen statt strategische Aufklärung zu leisten. Bislang seien Nachrichtendienste und Ermittler*innen „nicht befriedigend abgestimmt“. Daraus folgt der Appell, die „in der Realwelt stetig zunehmende Netzwerkbildung im Rechtsextremismus“ verstärkt zu betrachten und „herausragende Einzelpersonen“ mehr in den Fokus zu rücken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

Hannibals Schattennetzwerk

Hintergründe zum Prozess gegen Franco A.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Alle Artikel zum Thema

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.