das portrait
: Wäre die erste US-Finanzministerin: die frühere Fed-Chefin Janet Yellen

Foto: Andrew Harnik/ap

Zwei Eigenschaften haben Janet Yellen berühmt gemacht: Die 74-jährige Ökonomin hat meistens recht – und sie agiert sehr selbstständig. Eine berühmte Szene ereignete sich während der Finanzkrise im Oktober 2008: Die Investmentbank Lehman Brothers war bereits zusammengebrochen, aber US-Notenbankchef Ben Bernanke scheute sich einzugestehen, dass die amerikanische Wirtschaft schrumpfte. Also nahm Yellen das hässliche R-Wort in den Mund: Die USA befänden sich in einer Rezession, erklärte sie im Abendkleid bei einem Dinner – und alle Sender der Nation brachten diese Nachricht. Denn Yellen war damals Notenbank-Chefin in San Francisco.

Die Reaktion der Börsen folgte prompt: Der US-Aktienindex Dow Jones verlor damals rund 733 Punkte – das war der zweitgrößte Tagesverlust in seiner Geschichte. Jetzt, zwölf Jahre später, ist es genau andersherum: Die Börsen legten weltweit zu, als sich die Nachricht verbreitete, dass Yellen die neue US-Finanzministerin werden könnte. Offiziell ist diese Nominierung zwar noch nicht, doch „Kreise“ in Washington haben die Personalie bereits bestätigt. Yellen wäre die erste Frau an der Spitze des US-Finanzministeriums.

Yellen stammt aus einer jüdischen Arztfamilie in Brooklyn, ist Absolventin der Yale University, war Wirtschaftsprofessorin in Berkeley, hat in Harvard und an der London School of Economics unterrichtet. Von 1997 bis 1999 war sie die ökonomische Chefberaterin von US-Präsident Bill Clinton. 2004 wechselte Yellen zur US-Notenbank Fed, ab 2010 war sie dort Vizechefin und von 2014 bis 2018 die Präsidentin. Auch damals war sie die erste Frau, die die US-Notenbank leitete.

Es war ein Politikum, dass US-Präsident Trump ihr Mandat bei der Fed nicht verlängerte. Berühmt wurde sein Argument, sie sei einfach „zu klein“. Yellen ist 1,59 Meter groß.

Nobelpreisträger Paul Krugman twitterte am Montag euphorisch, es sei eine „fantastische Nachricht“, dass Yellen zur Finanzministerin aufrückt. Allerdings ist Yellen nicht bei allen Demokraten beliebt. Der linke Flügel wirft der einstigen Fed-Chefin vor, dass sie die Leitzinsen ab 2016 wieder steigen ließ, was Wachstum und Arbeitsplätze gekostet hätte. Dennoch signalisierten die linken Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren bereits, dass sie ­Yellen als Finanzministerin akzeptieren würden. Denn auch Yellen hat immer wieder umfangreiche Konjunkturpakete angemahnt, um die Coronakrise zu überwinden.

Yellen ist mit dem Ökonomen George Akerlof verheiratet, der 2001 den Nobelpreis erhielt. Sohn Robert folgt der Familientradition und ist Wirtschaftsprofessor im englischen Warwick.

Für das Nobelpreiskomitee in Stockholm hat Akerlof einmal dargelegt, wie er seine Frau 1977 in Washington kennenlernte. „Wir mochten uns sofort und beschlossen, gleich zu heiraten.“ Die Zusammenarbeit des Paars hat der Nobelpreisträger James Tobin so beschrieben: Akerlof entwickle ständig neue Ideen – und Yellen bringe diese dann „in eine akademisch plausible Form“. Ulrike Herrmann