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: Anständiges Ultimatum für den Bundestrainer

Das Nations-League-Debakel der DFB-Auswahl gegen Spanien soll doch nicht folgenlos bleiben

Der Deutsche Fußball-Bund will jetzt also doch etwas unternehmen nach der desaströsen 0:6-Niederlage in der Nations League gegen Spanien in der vergangenen Woche. Was genau, das weiß man im Präsidium wohl noch nicht so genau, aber irgendetwas soll sich wohl tun. Am Montagvormittag jedenfalls veröffentlichte der Verband einen Fahrplan bis zum 4. Dezember, der von den DFB-Oberen einstimmig beschlossen worden ist. Dem Wortlaut nach verhält sich der DFB dabei hochanständig. Dem Bundestrainer wird Zeit gegeben bis zum 4. Dezember, um über die sportlichen Gründe für die Pleite nachzudenken und auch die persönliche Enttäuschung darüber zu verarbeiten. „Das gehört sich so“, heißt es in der Mitteilung.

Das genannte Datum kann man indes auch als Ultimatum interpretieren, bis zu dem Löw und sein Chef, der für die Nationalmannschaften zuständige DFB-Direktor Oliver Bierhoff, gefälligst Ideen vorzulegen haben, wie die Nationalmannschaft, ohne sich zu blamieren, durch die Europameisterschaft im nächsten Jahr zu kommen gedenkt. Viel kann da ja nicht präsentiert werden. Der Pool an Spitzenspielern mit deutschem Pass ist nicht groß, der an herausragenden Verteidigern ist gar klitzeklein. Eine Rückholaktion für die nach dem Vorrundenaus bei der WM 2018 aus dem Kreis der Nationalmannschaft entfernten Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels werden auch die, die genau das fordern, nicht als besonders innovativ bezeichnen können. Und die Mär vom Aufbau einer jungen Mannschaft wird sich nach dem 0:6 eines Teams, das bei Anpfiff ein Durchschnittsalter von 27,3 Jahren aufwies, im DFB-Präsidium auch niemand mehr auftischen lassen wollen.

Es ist zudem nicht besonders realistisch, dass man einem Bundestrainer einen Neuaufbau mit taktischen Experimenten gestattet und dabei ein frühes Scheitern bei der EM mit einem Achselzucken hinnehmen will. Nicht einmal in der mäßig beliebten Nations League, bei deren erster Ausgabe die Deutschen hinter den Niederlanden und Weltmeister Frankreich auf dem letzten Gruppenlatz eingelaufen sind, darf ein Bundestrainer ungeniert experimentieren. Jedes Ergebnis zählt. Das wird Joachim Löw gespürt haben, als er nach der WM verprach, weniger arrogant, mit weniger Ballbesitz und vor allem über das Umschaltspiel an alte Erfolge anknüpfen zu wollen.

Und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass der DFB mit seinem Fahrplan dem Bundestrainer eine Brücke zum freiwilligen Rückzug bauen will. Oliver Bierhoff, der Löws Analysen und Entscheidungen an jenem 4. Dezember in Abwesenheit des Bundestrainers vortragen soll, stünde dann vor einer großen Weichenstellung. Es geht um die Frage, ob der Bundestrainer in Zukunft, so wie es früher war, nicht viel mehr machen soll, als einen Haufen hochbegabter Nationalspieler irgendwie auf dem Platz zu verteilen, zu motivieren und sich bei den Turnieren möglichst lange durchzuwursteln. Oder ob der Auswahlcoach so etwas wie die taktische Zentrale des deutschen Fußballs repräsentiert, ob er den DFB zum Thinktank des modernen Fußballs im Lande machen soll. Auch wenn das in diesen Tagen oft vergessen scheint: In den Jahren nach 2006 war Joachim Löw genau ein solcher Trainer.

Andreas Rüttenauer