Der Doktor hilft
auch nicht immer

Politikwissenschaftler rät SPD-Politikerin Giffey zu Titelverzicht

Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Benjamin Höhne könnte es für Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Vorteile haben, auf das Führen ihres umstrittenen Doktortitels zu verzichten. „Dann kann sie sich ganz auf ihre politischen Aufgaben konzentrieren. Um eine herausragende Politikerin zu sein, braucht man keinen Doktortitel“, sagte der stellvertretende Leiter des Instituts für Parlamentarismusforschung am Montag. „Das Verfahren an der Hochschule liefe dann zwar weiter, aber Giffey könnte das Thema der politischen Debatte entziehen.“ Andererseits hätte ein solcher Schritt auch eine Kehrseite: „Dann heißt es: Da war vielleicht wirklich etwas nicht ganz sauber, das könnte als Teileingeständnis verstanden werden.“ Dies könne das Vertrauen in die Politikerin schädigen.

Höhne geht davon aus, dass Giffeys Ansehen noch nicht beschädigt ist. „Aber wenn das Thema immer am Laufen gehalten wird, dann stellt sich die Frage, ob irgendetwas an ihr hängen bleibt, das sie durch ein entschlossenes Krisenmanagement verhindern hätte können“, so Höhne. „Offenbar dachte man, mit der Rüge ist das Thema abgehakt. Ist es aber nun doch nicht.“ Die Freie Universität hatte am Freitag angekündigt, ihre Rüge aufzuheben und neu darüber zu entscheiden. Grund sei ein neues allgemeines Gutachten des Rechtswissenschaftlers Ulrich Battis im Auftrag der Universität. Darin geht es um das Instrument der Rüge in Verfahren zur Überprüfung der Verleihung eines akademischen Grades gemäß dem Berliner Hochschulgesetz. Giffey hatte die FU im Februar 2019 selbst um die Einleitung eines formellen Prüfverfahrens wegen ihrer Dissertation mit dem Titel „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ gebeten. Die Universität hatte nach Abschluss der Prüfung im Herbst 2019 entschieden, Giffey den Doktorgrad nicht zu entziehen und stattdessen eine Rüge zu erteilen. (dpa)