Professionalität der 4. Fußballliga: Corona wirft Schlüsselfrage auf

Amateur oder Profi? Die coronabedingte Schlüsselfrage fördert recht unterschiedliche Perspektiven auf die Fußball-Regionalligen zutage.

Mannschaftkreis im leeren Stadion von Kickers Offenbach auf dem Rasen

„Wir betreiben Profisport“: Für die Offenbacher Kickers ist die Sache klar Foto: Jan Hübner/imago

Für Thomas Sobotzik, den Geschäftsführer des Regionalligisten Kickers Offenbach, ist die Angelegenheit klar: „Die überwiegende Mehrheit der Regionalliga bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Geld, das sie durch den Fußball verdient. Deshalb betreiben wir Profisport. Wir wollen wie die meisten Vereine weiterspielen.“ Aus seiner Sicht hat man mit Amateur- und Freizeitsportlern, die nach den jüngsten Corona-Beschlüssen des Bundes und der Länder ihre Aktivitäten einstellen müssen, nichts zu tun. Die Kickers wollen unbedingt den für November ausgesetzten Spielbetrieb fortsetzen. Man behält sich juristische Schritte vor. Sobotzik sagt: „Wir prüfen unsere Möglichkeiten.“

Einerseits ist Sobotzik mit seiner Sicht der Dinge ganz nah an der Definition des Brockhaus-Lexikons dran, nach welcher der Amateursportler ausdrücklich „seinen Lebensunterhalt nicht aus dem Sport bestreitet“, andererseits stolpert man wiederum über die Formulierung „die überwiegende Mehrheit“. Denn beim FC Bayern Alzenau etwa betrachtet man die Regionalliga Südwest mit ganz anderen Augen. „Wir sind Amateure“, sagt Matthias Andres aus dem Vorstand des Vereins. Nicht ein Spieler könne hier vom Fußball leben. Das Monatssalär übersteige nicht in einem Fall den dreistelligen Bereich.

Weiterspielen wollte die Vereinsführung angesichts der erhöhten Coronazahlen sowieso nicht. „Bei uns steht die Gesundheit der Spieler an erster Stelle. In der Regionalliga gibt es keine Coronatests. Es ist nicht sinnvoll, jetzt mit Bussen durch die Gegend zu fahren.“ Das würden auch einige andere Vereine in der Liga so sehen. Und Andres bezweifelt, dass dies eine Minderheitenposition ist.

Unterschiedlich sind auch die Sichtweisen derjenigen, die zu entscheiden haben. Die Regionalliga West etwa wurde vom Land Nordrhein-Westfalen als „professionell“ eingestuft und setzt am Wochenende als einzige der fünf Staffeln ihren Spielbetrieb fort. In der Regionalliga Südwest haben dagegen gleich vier Bundesländer mitzusprechen. Baden-Württemberg, das Saarland und Hessen versahen die Regionalliga mit dem Etikett „professionell“, Rheinland-Pfalz aber entschied sich für „amateurhaft“. Das, was in den Regionalligen Bayern und Nord gespielt wird, soll nach Auffassung der politischen Behörden ebenfalls Amateurfußball sein, im Nordosten steht die Entscheidung noch bevor.

„Massive Verzerrung des Wettbewerbs“

Das Zwitterwesen der Regionalliga fördert in der Coronakrise recht possenhafte Begleiterscheinungen zutage. Die gescheiterten Reformversuche der letzten Jahre, eine größere Leistungsdichte durch eine Reduzierung der Ligen herzustellen, machen sich jetzt nachteilig bemerkbar.

Die gescheiterten Reformversuche machen sich jetzt nachteilig bemerkbar

Das Urteil in Rheinland-Pfalz zwang den Südwestdeutschen Fußballverband (SWF) am Mittwoch, den Spielbetrieb für alle einzustellen. Ohne die pfälzischen Klubs, hieß es in einer Stellungnahme des SWF, sei eine „zu massive Verzerrung des Wettbewerbs“ zu erwarten. Beim FC Bayern Alzenau, der sich wegen seiner regionalen Nähe freiwillig dem Hessischen Fußballverband angeschlossen hat, ist man glücklich über die Entscheidung. „Es ist angenehm, dass wir aus der Schusslinie sind“, sagt Andres.

Angriffe hatte es zuletzt vor allem von den Offenbachern gegeben, die Alzenau mangelnde Solidarität vorwarfen, weil sich der Verein von Beginn an für eine Spielpause aussprach. Verärgert ist man in Offenbach auch über die ­Ligaführung. Sobotzik sagt, man hätte sich anfangs eine klare Positionierung vom Verband gewünscht, welche Ziele und Pläne man dort verfolge. Das sei leider ausgeblieben.

Die Offenbacher, die den Aufstieg in die dritte Liga anstreben, müssten wegen des Publikumverbots im Profisport ohnehin auf erhebliche Einnahmen verzichten. Vor der Coronapandemie kamen etwa 6.000 Zuschauer:innen im Schnitt. Mit dem Wegfall der Spiele, beklagt Sobotzik, könnte man die Sponsoren nicht mehr präsentieren, ihnen keine Gegenleistung mehr bieten. Er sehnt sich im Wirrwarr der regionalen Entscheidungen nach einer ordnenden Hand, die einheitliche Bedingungen schafft. „Wir wünschen uns, dass sich der DFB übergeordnet darum kümmert, denn dann würde die Politik der Angelegenheit mehr Gewicht beimessen.“

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