Prozess um Veruntreuung in Bremen: Betrügerpaar darf sich bewähren

Vielfach sollen ein Juraprofessor und die Vorsitzende der Grass-Stiftung Geld veruntreut haben. Opfer waren die Stiftung – und die eigenen Kinder.

Gerichtssaal im Amtsgericht Bremen; links, unterbrochen von Plexiglasscheiben, die beiden Anwälte, vorne Richterin sowie Schöff*innen und Gerichtsmitarbeiterin, rechts der Staatsanwalt. Der Tisch in der Mitte ist frei, die Angeklagten sind nicht gekommen

Saal im Amtsgericht am Freitag. Etwas entscheidendes fehlt: Die Angeklagten Foto: Peter Bischoff

BREMEN taz | Gegen Viertel nach neun wird klar: Die Angeklagten kommen heute nicht. Vor dem Amtsgericht sollte am Freitag ein Fall von öffentlichem Interesse verhandelt werden – unter anderem dazu, wie gut 23.000 Euro aus dem Stiftungsvermögen der Bremer Günter-Grass-Stiftung veruntreut werden konnten.

Doch die Angeklagte, die ehemalige Vorsitzende der Stiftung, sowie ihr ebenfalls angeklagter Mann, ein ehemaliger Juraprofessor der Uni Bremen, bleiben dem Prozess unentschuldigt fern. Die Anklage wird nicht verlesen, statt eines klassischen Urteils gibt es ohne Verhandlung einen Strafbefehl: Ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt die Richterin auf Antrag der Staatsanwaltschaft für jede*n der beiden Angeklagten sowie jeweils 120 Tagessätze Geldstrafe.

Das Ehepaar kann dagegen noch Einspruch einlegen. Doch mit einem Strafbefehl, über den ein Gericht nie mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängen kann, sind die beiden womöglich gar nicht schlecht gefahren. Vorgeworfen nämlich wird den Angeklagten Untreue (beziehungsweise die Anstiftung dazu) in insgesamt 80 Fällen und Betrug in zwei Fällen. Ihre Opfer: die Grass-Stiftung, zwei Handwerksunternehmen und die eigenen Kinder. Insgesamt 81.000 Euro Schaden sind entstanden.

In die Öffentlichkeit kam 2018 vor allem der Fall rund um die Stiftung. Die Angeklagte hatte dort als Geschäftsführerin die alleinige Kontovollmacht. 2017 begann sie, laut Gericht angestiftet von ihrem Mann, Geld der Stiftung abzuheben – vorgeblich für die Bargeldkasse. Tatsächlich aber leitete das Paar über 31 solcher Transaktionen insgesamt 23.660,16 Euro in die eigene Tasche um. Als Grund gaben die beiden Geldnot an.

Viel Geld zu holen gibt es nicht

Für die Grass-Stiftung hätte das existenzbedrohend sein können – immerhin etwa ein Drittel des Jahresetats fiel weg. Doch ein privater Spender sprang mit der kompletten Summe ein. Die Angeklagten müssen den Schaden nun ersetzen. „Wir erwarten schon, dass das Geld zurückkommt“, sagt der ehemalige Geschäftsführer Horst Monsees. „Dringend darauf angewiesen sind wir dank der Spende zum Glück nicht.“

Das ist gut für die Stiftung, die gerade in die Bremer Überseestadt umzieht. Schon die recht geringen Tagessätze von 10, respektive 20 Euro für Ehefrau und Ehemann weisen darauf hin, dass es um die Finanzen der Familie nicht gut stehen dürfte. Vor allem aber gibt es noch weitere offene Forderungen gegenüber den L.s.

Die beiden Anklagen wegen Betrugs belaufen sich auf zusammen knapp 6.000 Euro: Zweimal hatten die L.s demnach Handwerkerarbeiten durchführen lassen, obwohl sie wussten, dass sie die Rechnung nicht würden zahlen können. Dazu kommen weitere Fälle von Veruntreuung: Die beiden minderjährigen Kinder des Ehepaares hatten demnach jeweils knapp 100.000 Euro aus einer Erbschaft erhalten. Die L.s sollen 57.000 Euro davon für eigene Zwecke abgehoben haben.

Familie lebte in Hotels und fremden Häusern

Nicht alle Fälle, mit denen das Ehepaar sich Leistungen erschlichen hat, sind tatsächlich vor Gericht gelandet. Der Weser Kurier berichtet 2018, dass die Familie sich immer wieder in besseren Hotels der Stadt einquartiert habe – monatelang, bis sich jeweils die Zahlungsunfähigkeit herausgestellt habe.

Im Zuschauerraum für den nicht stattfindenden Prozess sitzt auch Peter Bischoff, ebenfalls Geschädigter: Ende 2013 hatte er der Familie ein Haus verkaufen wollen. Über ein halbes Jahr, so stellt es Bischoff in eigenen Aufzeichnungen über den Kontakt dar, habe L. immer wieder neue Ausreden gefunden, warum der Kaufpreis gerade noch nicht überwiesen werden konnte: Probleme bei der Bank, säumige Mandant*innen, Terminkollisionen.

Vom Kaufvertrag trat Bischoff dann Ende 2014 zurück. Kosten hatte er dennoch: Auf Makler- und Notargebühren sei er sitzen geblieben, außerdem habe er sein Haus zwangsverkaufen müssen und so großen Verlust gemacht. Bei anderen Immobilienkäufen sollen die L.s erfolgreicher gewesen sein – dort konnten sie laut Weser Kurier monatelang in den nicht bezahlten Villen leben, bevor sie auch dort aus den Kaufverträgen geworfen wurden.

Die Staatsanwaltschaft hielt diese Fälle nicht für versuchten Betrug. Bischoff glaubt anderes: „Als Juraprofessor weiß der doch ganz genau, was ihm gerade noch nicht als Betrug ausgelegt wird“, sagt er am Rande des Prozesses ohne Verhandlung.

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