Debakel der Nationalelf gegen Spanien: Bedeutung in der Niederlage

Hätte die Nationalelf Spanien bezwungen, es hätte außer Nerds wohl kaum jemanden gejuckt. So aber steht das DFB-Team wieder im Zentrum des Interesses.

Spielszene aus dem Länderspiel gegen Spanien - Torwart Manuel Neuer kassiert ein Tor.

Sechs Tore kassierte Manuel Neuer im Länderspiel gegen Spanien am Dienstag Foto: Marcelo Del Pozo/reuters

Wahrscheinlich haben es viele nicht mitbekommen. Vor einer Woche klagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff über den gesellschaftlichen Bedeutungsverlust der deutschen Fußballnationalmannschaft. Man sei nicht mehr Deutschland liebstes Kind, nicht mehr das Lagerfeuer der Nation. Seit Dienstagabend hat sich die Lage völlig gedreht. Über die Elf von Joachim Löw wird wieder so viel gesprochen wie lange nicht mehr. Die 0:6-Niederlage gegen Spanien mag sehr schmerzlich sein, der Bedeutungsgewinn ist immens. Allerorten wird nun über mögliche Maßnahmen, Bundestrainer und Perspektiven diskutiert. Die alten Reflexe funktionieren noch.

Im Jahre 2013 hatte der DFB die Studie „Wir sind Nationalmannschaft“ in Auftrag gegeben und attestiert bekommen, das „letzte Lagerfeuer der Nation“ zu sein, die „sinnstiftende Quelle der Volksidentifikation“. Ein Großteil in diesem Lande wollte später sehr wohl Nachbar von Jérôme Boateng sein, auch wenn AFD-Politiker Alexander Gauland genau das in Zweifel zog.

Seit dem missglückten WM-Auftritt von 2018 hat die DFB-Elf mit dem Verlust an Ansehen auch an gesellschaftlicher Relevanz verloren. Der Rücktritt von Mesut Özil hatte aufgrund des höchst unglücklichen Verhaltens des DFB eine Rassismusdebatte zur Folge. Der schleppende Versuch von Bundestrainer Löw, die Nationalmannschaft neu zu erfinden, löste großes Gähnen, die Anspruchshaltung, auch in der Coronazeit den (Reise-)Betrieb am Laufen zu halten, nur noch Kopfschütteln aus.

Hätte die Nationalelf Spanien am Dienstag knapp bezwungen und sich für das Final Four der Nations League qualifiziert, es hätte außer Nerds wohl kaum jemanden gejuckt. So aber flammt das Lagerfeuer wieder knisternd auf. Genährt wird das Feuer bei einigen auch von der Sehnsucht, sich wieder identifizieren zu können mit diesem Team. Es riecht ein wenig nach Neuanfang. Das hat manch ei­ne:n aus dem Tiefschlaf geweckt. Die zu erwartende Debatte um Löw wird wieder in fast alle gesellschaftlichen Winkel vordringen. Ob man es mag oder nicht: Wir sind wieder Nationalmannschaft.

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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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