Länderspiel Deutschland gegen Ukraine: Demütig volles Risiko

Die DFB-Elf gewinnt gegen die Ukraine und die Uefa gegen die Leipziger Gesundheitsbehörde. Denn die ukrainischen Coronafälle sind der größte Aufreger.

Leon Goretzka flankt den Ball in den Strafraum

Irgendwie nebensächlich: Leon Goretzka bereitet wunderschön das zweite deutsche Tor vor Foto: reuters

LEIPZIG taz | Am Ende hatte dann doch ein Spiel stattgefunden. 3:1 hat die deutsche Fußballnationalmannschaft dieses am Samstagabend in Leipzig gegen die Ukraine gewonnen. Torwart und Kapitän Manuel Neuer hat dabei „gute Szenen und auch schlechte“ gesehen, „wie immer“ eben. Bundestrainer Joachim Löw hat sich über ein „gutes und intensives Spiel“ sowie „gute Ansätze gefreut“ und will nun im Gruppenfinale der Nations League am Dienstagabend in Sevilla gegen Spanien auf Sieg spielen.

Auch Andrej Schewtschenko, dem Trainer der ukrainischen Auswahl, hat das Spiel gefallen. Seine im Vergleich zu den Deutschen international unerfahrene Mannschaft habe sich gut geschlagen trotz der Ausfälle, die sie zu verkraften hatte. Da war er dann doch angesprochen worden, der Elefant im Raum dieser Videopressekonfernz nach dem Spiel. Corona war das Thema, das die Vorberichterstattung über die Partie bestimmt hatte.

Am Tag vor dem Spiel waren vier Spieler des ukrainischen Teams positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Frage, ob das Spiel überhaupt stattfinden würde, schien spannender als die meisten Auftritte der deutschen Nationalmannschaft in den vergangenen Monaten. Dem Leipziger Gesundheitsamt wurde zunächst die Verantwortung für die Entscheidung zugeschoben. Dass hatte die vier postitiv getesten Spieler Andrej Jarmolenko, Serhij Sydortschuk, Viktor Kowalenko und Viktor Tsygankow sowie einen Betreuer, bei dem das Coronavirus ebenfalls nachgewiesen worden war, am Freitag in Quarantäne geschickt.

Der Rest des Teams blieb ungehelligt. Man habe eine intensive Kontaktverfolgung betrieben, erklärte Matthias Hasberg, der Sprecher der Stadt Leipzig der ARD-Sportschau, habe sich versichern lassen, dass es zu niemandem in der Mannschaft engen Kontakt gegeben habe und deshalb nur die fünf positiv getesteten in die Isolation geschickt.

Positives Vorbild Norwegen

Damit war klar, dass die Entscheidung darüber, ob das Spiel stattfinden würde, nicht von der Behörde einer deutschen Kommune getroffen wird, sondern gemäß den Regeln der Uefa gefällt wird. Die sehen vor, dass ein Team anzutreten hat, wenn zwölf Feldspieler und ein Torwart dafür bereitstehen. Dass es möglich ist, sich den Interessen des Fußballs in den Weg zu stellen, zeigt die Absage des Nations League-Spiels von Norwegen gegen Rumänien. Wegen des positiven Tests von Außenverteidiger Omar Elabdellaoui am Freitag haben die norwegischen Gesundheitsbehörden die gesamte Mannschaft für zehn Tage in Quarantäne geschickt. Die Proteste des norwegischen Fußballverbands dagegen nutzten ebensowenig wie die negativen Tests des Rests der Mannschaft. Gleich vier Mal seien die Spieler nachgetestet worden, so der Verband.

Derweil bereitete sich in Leipzig der Rest des ukrainischen Teams, so Andrej Schewtschenko nach dem Spiel, so gut es eben ging, auf die Partie gegen Deutschland vor. Die Spieler seien am Samstag noch einmal getestet worden. Ein positives Ergebnis gab es dabei nicht. „Wir sind sogar zwei Mal getestet worden“, sagte Schewtschenko, der nun für das letzte Spiel seines Teams in der Gruppe gegen die Schweiz ein paar Spieler nachnominieren will. Für die positiv Getesteten werde ein Flugzeug aus Kiew kommen, um sie auszufliegen. Er wirkte nicht so, als würde er sich Sorgen machen um die Gesundheit der vier Spieler. Im Profisport lösen positive Tests schon lange keine Ängste mehr aus. Der Eingriff des Virus in den Kader wird als schmerzlich empfunden, eine mögliche Infektion wird gar nicht erst thematisiert.

Im DFB-Team, in dem es in dieser Länderspielpause bis dato keinen positiven Fall gegeben hat, will man, so Löw, weiter „alles tun“, um eine Infektion zu vermeiden. Man sei im Oktober nach dem Hinspiel gegen die Ukraine ohne Schäden aus einem Risikogebiet zurückgekommen. Auch die Reise ins Risikoland Spanien gehe man deshalb mit voller Vorsicht an. Dass in Deutschland eine Debatte über den Sinn derartiger Länderspielreisen in Zeiten einer Pandemie läuft, kann Löw verstehen. „Die Menschen haben andere Sorgen“, sagt er und dass man in einer Zeit lebe, „in der viele Dinge passieren“. Die Entscheidung, ob ein Spiel stattfinden kann oder nicht, liege aber sowieso nicht bei der Mannschaft.

Jens Grittner, der Sprecher der Nationalmannschaft hat auch mitbekommen, dass rund um das Spiel eine Debatte in Deutschland tobte, in der der profitorientierte Profifußball nicht allzu gut weggekommen ist. Die ständige Testung von Spielern ohne Symptome kommt eben nicht gut an, während es sonst schier unmöglich ist, an einen Coronatest zu kommen, selbst wenn man Kontakt zu einem Infizierten hatte oder zum Pflegepersonal eines Krankenhauses gehört. Die Testkontingente des Profifußballs in Deutschland, auch die der Uefa seien schon lange reserviert, sagte Grittner dazu und verwendete, das vom derzeit nicht gerade gut beleumundeten Profifußball ein wenig überstrapazierte Wort „demütig“, um die die Herangehensweise der Nationalmannschaft beim Thema Corona zu beschreiben.

Die deutsche Mannschaft fliegt nun am Montagvormittag nach Sevilla. Gegen Spanien wird dann auch Toni Kroos, der am Samstag gesperrt war, wieder mitspielen dürfen. Philipp Max, der leichtathletisch hochbegabte Außenbahnspieler des PSV Eindhoven, der mit 27 Jahren eine der betagtesten Neuentdeckungen in der Geschichte des deutschen Fußballs sein dürfte, wird dann vielleicht wieder zeigen dürfen, dass er es kann. Vielleicht macht Leon Goretzka wieder so ein „Superspiel“ (Löw) wie gegen die Ukraine. Und wenn es ganz gut läuft, gibt es davor keinen einzigen positiven Test im Team. Das wäre ja auch wirklich nervig.

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