Flucht nach Großbritannien: Tod im Ärmelkanal

Vier Menschen sind bei ihrer Überfahrt im Meer ertrunken, darunter zwei Kinder. Über 7.000 Menschen kamen 2020 auf Booten nach Großbritannien.

Ein Mann blickt mit Fernglas kurz nach Sonnenuntergang in Richtung Meer.

Die Französische Küstenwache am Strand bei Calais überwacht den Ärmelkanal Foto: Michel Spingler/ap

LONDON taz | Angeblich waren es an die 20 Kurd*innen aus Iran und Irak, darunter Kinder, die sich bei schlechtem Wetter Dienstagfrüh am Strand zwischen Dünkirchen und Calais mit einem kleinen Kutter auf den Weg nach England machten. Sie sollten nie ankommen.

Schon gegen 9.30 Uhr meldete ein englischer Segler vor dem französischen Loon Plage ein gekentertes Boot, daneben Menschen in der stürmischen See. Obwohl die französischen Rettungsdienste sofort mit Hubschraubern herbeieilten, kam für vier Menschen, darunter zwei Kinder von fünf und acht Jahren, jegliche Hilfe zu spät. Es könnte weitere Opfer geben, ein nicht geborgenes Baby könnte ertrunken sein, vielleicht auch andere.

Erst vor einer Woche wurde die Leiche einer 20 bis 40 Jahre alten Person aus dem Mittleren Osten am Strand von Sangatte geborgen. Im August ertrank im Meer der 28-jährige Sudanese Abdulfatah Hamdallah.

Aus Frankreich wollen die Flüchtlinge weg, nach Großbritannien können sie nicht legal einreisen. Erst letzte Woche stimmte die konservative Mehrheit im britischen Unterhaus gegen Änderungsanträge zum neuen Einwanderungsgesetz, um EU-Regelungen zur Familienzusammenführung auch nach der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember 2020 beizubehalten.

7.000 Menschen gelang die Überfahrt 2020

Nach Ansicht von Henry Compson, Sprecher der Kampagnengruppe Safe Passage, spielen Unter- und Oberhaus sich in dieser Frage die Bälle zu: Das eine Haus sagt Nein, das andere Ja. Die Frage sei nun, so Compson, ob diese Tragödie etwas ändern könne. Einige konservative Abweichler gebe es, etwa Karen Bradley, ehemalige Ministerin unter Theresa May.

Care4Calais – eine britische Organisation, die in Nordfrankreich Flüchtlinge unterstützt – nennt auch die französischen Behörden als Schubfaktor. „Das Leben auf den Straßen in Calais unter miserablen Umständen, gejagt von der Polizei und ohne klare legale Verfahren, lässt Flüchtlinge glauben, dass sie gar keine andere Wahl haben, als dieses große Risiko auf sich zu nehmen. Manche bezahlen dies nun mit ihren Leben“, sagte sie.

Compson stimmt zu: „Es ist kein Wunder, dass Leute über den Kanal auf diesen Booten flüchten, denn bei den ersten Kontakten mit europäischen Behörden, egal wo, wurde vielen Flüchtlingen jegliches Vertrauen genommen.“

Über 7.000 Menschen sind so seit Januar auf Booten nach Großbritannien gekommen. Am vergangenen Wochenende vereitelte der französische Grenzschutz nach eigenen Angaben die Überfahrten von etwa 200 Personen. An die 100 sollen es jedoch geschafft haben.

Teils ist das spektakulär: Am Montag eilten vor der britischen Isle of Wight britische Spezialkräfte der Crew eines Öltankers mit Hubschraubern zur Hilfe, um sie vor sieben blinden nigerianischen Passagieren „zu retten“, von denen sie sich bedroht fühlten.

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