Studie zum Wohnungsmarkt in Berlin: Im Immobilienhimmel

Von wegen gebeutelte Kleinvermieter: Laut der „Wem gehört die Stadt“-Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung gehört fast halb Berlin Millionären.

Viele Mieter:innen protestieren mit Mundschutz im Herbst gegen den Ausverkauf ihrer Wohnungen. Auf einen Schild steht: "Unser Zuhause ist keine Ware"

Mie­te­r:in­nen protestieren gegen die jüngste Shopping-Tour des Großinvestors Heimstaden in Berlin Foto: imago

BERLIN taz | Der Immobilienmarkt ist ein Dunkelfeld: Zwei Jahre hat Christoph Trautvetter undurchsichtigen Investmentfonds und Eigen­tümer:innen hinterherrecherchiert und noch immer gibt es Lücken. Schwer macht die Erforschung der wirklichen Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt vor allem, dass in Deutschland nicht der wirtschaftlich Verfügungsberechtigte im Grundbucheintrag eines Hauses stehen muss.

Dafür reicht eine Briefkasten-GmbH, die typischerweise wiederum einer anderen Gesellschaft gehört, die ihrerseits im Besitz einer anderen Firma ist. Die Spuren führen meist in Steuerparadiese wie die Cayman Islands, Luxemburg, das amerikanische Delaware oder das brandenburgische Zossen.

Auch wenn nach der am Dienstagabend vorgestellten Studie der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlins Wohnungsmarkt noch lange nicht transparent ist, liefert sie doch einen systematischen Überblick über die Eigentumsverhältnisse. Klar wird sofort: Der Mythos, dass der Markt hauptsächlich von Klein­vermie­ter:innen bestimmt ist, deren Altersvorsorge angeblich durch Regulierungen wie den Mietendeckel in den Ruin getrieben werde, ist Quatsch.

Ein wesentlicher Teil des privaten Immobilienbesitzes gehört ­größeren, häufig anonymen ­privaten Vermietern und Firmen. Ebenso gehören deutschlandweit einmalig hohe 25 Prozent der Stadt renditegeilen ­Investmentfonds und privaten Wohnungsunternehmen, die für ihre Anleger auf Mieter flieg raus Gewinn aus ihren Im­mobilien quetschen. Im Gegenzug gibt es in Berlin weniger Selbst­nutzer:innen und Privateigen­tümer als in anderen Städten.

Profite ohne Leistung dank Preisboom

Oder wie Trautvetter, der Autor der Studie, zusammenfasst: „Fast halb Berlin gehört einigen tausend Millionären.“ Als Millio­näre gelten angesichts der hohen Immobilienpreise bereits Personen, die zwei Wohnungen und mehr in Berlin besitzen. Menschen, die fünf oder mehr Wohnungen besitzen, zählt Trauvetter als Multimillio­näre.

Big 5 Berlin größte Wohnungsfirmen sind die Deutsche Wohnen (115.740 Wohnungen), Vonovia (42.241), ADO (17.924), Covivio (15.813) und Grand City (7.580).

Kleiner, aber fies 130.000 Wohnungen gehören Fonds und Privateigentümern. Neben den im Text genannten Blackstone, Becker & Kries und Spree Phönix etwa: IMW Immobilien (Fonds, über 3.000 Wohnungen), UniImmo (Fonds, über 3.000), Albert + Victoria (anonym, über 3.000), Pears (privat, über 3.000), Heimstaden (privat, über 3.000), Optimum Evolution (Fonds, 2.883). (gjo)

Sein Befund: Von Berlins insgesamt 2 Millionen Wohnungen gehören 800.000 Immobilienmillionären, großen Wohnungsunternehmen und professionellen Investoren. 305.000 gehören Selbstnutzern, 320.000 kleineren privaten Eigentümern, 545.000 sind in öffentlicher Hand. Die problematischen Vermieter, die Verdrängungsprozesse befördern, sind dabei vor allem unter den größeren Privatvermietern, privaten Wohnungsfirmen und Investmentfonds zu finden.

Der Preisboom der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass alle Ei­gen­tü­me­r:in­nen ohne eigene Leistung mächtig profitiert haben. Während öffentliche oder genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften Erträge in Bestand und Neubau investieren, geht es größeren privaten Vermietern um höchstmögliche Rendite.

Besonders problematisch sind laut Studie dabei nicht nur große Wohnungsunternehmen wie die Deutsche Wohnen, sondern auch Privat-Equity-Gesellschaften, die An­le­ge­r:in­nen dauerhaft zweistellige Renditen versprechen. Langfristige Investitionen in den Wohnwert blieben aus, dafür nutzten sie Schattenfinanzplätze für Steuervermeidung.

Mehr als 100 dieser problematischen Ei­gen­tü­me­r:in­nen hat die Studie unter der Mithilfe von Mie­te­r:in­nen und auf Basis von Recherchen identifiziert und näher analysiert. Besonders interessant sind dabei Investmentfirmen und renditeorientierte Wohnungsunternehmen, die bisher weitgehend unter dem Radar flogen. Trautvetter sagt über diese Player: „Es geht ihnen auch nach dem Mietendeckel gut.“

Zu den näher untersuchten Ei­gen­tü­me­r:in­nen gehören der globale US-Investor Blackstone, der mehr als 3.500 Wohnungen in Berlin besitzen soll und laut Tagesspiegel-Recherche zur Verschleierung ein komplexes Briefkasten-Imperium nutzt. Mit seinem nun offenkundig werdenden Bestand liegt er über der Vergesellschaftungsgrenze von 3.000 Wohnungen des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co enteignen“.

Phoenix Spree, Becker & Kries, Ziegert

Trautvetter kommt auch auf den Investmentfonds Phoenix Spree aus Jersey zu sprechen, der seit 2007 in Berlin 2.537 Wohnungen gekauft hat. Aus deren Mieteinnahmen fließen mehr als 50 Prozent an die Manager, den An­le­ge­r:in­nen werden dennoch 10 bis 15 Prozent ausgeschüttet. Die Antwort des Fonds auf den Mieten­deckel lautet: Aufteilung in Eigentumswohnungen. Wie er es auf eine „wahnsinnige“ Neuvermietungsquote von jährlich 11 Prozent schaffe, sei schleierhaft, so Trautvetter, ebenso die Identität der Eigentümer.

Aber auch die deutsche Familienstiftung Becker & Kries kommt nicht gut weg in der Studie: Die Milliardäre in dritter Generation besitzen 2.884 Wohnungen in Berlin und sehen laut Trautvetter den Mieten­deckel gar als Chance, um weiter günstig einzukaufen. „Sie erhöhen die Mieteinnahmen, wo sie können“, sagt er. Ähnlich sieht es aus bei Ziegert, einem Investor, der offenbar nur auf Umwandlung in Eigentum setzt und über den auch nach der Studie nicht viel bekannt ist: seit wann er in Berlin investiert und in welchem Umfang etwa.

Weil es weiter bei vielen Playern an Transparenz fehlt, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung auch die Website „Wem gehört die Stadt?“ aufgesetzt. Da können Mie­ter:innen selbst nach ihren Vermietern suchen oder helfen, Wissen über Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zu sammeln.

Die Handlungsempfehlungen der Studie sind dann folgerichtig: „Am Ende brauchen wir Regulierung, dass diese leistungslosen Gewinne fair verteilt werden“, sagt Trautvetter. Das kann laut Studie mit einer reformierten Vermögens- und Erbschaftsteuer passieren, zudem könnten Preislimits extreme Wertsteigerungen verhindern. Außerdem brauche es Maßnahmen gegen Share Deals, also steuersparende Häuserverkäufe außerhalb der Grundbücher, und Schutz gegen Eigenbedarfskündigungen und Umwandlung in Eigentum.

Erforderlich sei dafür aber eine solide Datenbasis: ein transparentes Gebäude- und Wohnungsregister und Mietenkataster, das die realen Eigentumsverhältnisse abbildet. Immerhin das wird in der rot-rot-grünen Koalition bereits vorbereitet.

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