Eine Baustelle weniger

Der Flughafen BER ist an diesem Wochenenden tatsächlich in Betrieb gegangen – mit mehr als acht
Jahren Verspätung. Die Eröffnung war angemessen unspektakulär. Und eine kleine Panne gab es auch

Pinguin-Proteste bei der BER-Eröffnung Foto: Christian Mang

Von Bert Schulz

Mit mehr als acht Jahren Verspätung landete an diesem Samstag der erste Flieger am BER – und kurz darauf sogar ein zweiter. Aber immerhin: Der Flughafen, Deutschlands weltweit berüchtigste Pannenbaustelle knapp vor der Elbphilharmonie und Stuttgart 21, ist seit diesem Wochenende in Betrieb.

„Dies ist kein historischer Tag; es ist aber für uns, für Berlin und Brandenburg, ein ganzer wichtiger Tag“, sagt Engelbert Lütke Daldrup kurz nach den ersten Landungen und nennt den BER ein „Tor für die Welt für Ostdeutschland“. Die Arbeit sei schwer gewesen, bisweilen ein „Kampf gegen Windmühlen“, so der Flughafenchef, der an diesem Tag auch noch Geburtstag hat und 64 Jahre alt wird. Aber: „Wir haben gelernt, dass es sich lohnt durchzuhalten.“ Der BER sei heute Europas sicherster Flughafen.

Andreas Scheuer (CSU), nicht gerade als Fan des BER bekannt, dankt erst mal dem Flughafen Tegel. Die BER-Eröffnung sei „kein Jubeltag“, sagt der Bundesverkehrsminister, „sondern ein Arbeitstag mit sehr viel Erleicherung und Vorfreude.“ In Richtung Lütke Daldrup und Flughafengesellschaft raunt er: „Sie haben geliefert, liefern Sie weiter.“

An Bord der ersten Flieger, die am Samstag kurz nach 14 Uhr auf dem BER landen, sind keine „echten“ Fluggäste, sondern vor allem Prominente, um mit der Landung zumindest ein bisschen das historische Datum zu zelebrieren. Die Maschine mit Easyjet-Chef Johan Lundgren kam aus dem nur wenige Kilometer entfernten Tegel angeflogen, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa, Carsten Spohr, startete in München.

Der erste kommerzielle Anflug kam Samstagabend aus Fuerteventura, seit Sonntag kann man via BER Brandenburg und Berlin auch verlassen. Bis Ende kommender Woche ist der Flughafen Tegel noch parallel in Betrieb, am 8. November wird er für immer geschlossen. Der bisherige Flughafen Schönefeld fungiert künftig als Terminal 5 des BER.

Das Ambiete des neuen Flughafens ist nüchtern, wenig spektakulär. Alles strahlt, vieles ist irgendwie quadratisch. Die von zwei auf offiziell mindestens sechs Milliarden Euro gestiegenen Baukosten merkt man dem BER nicht an. Dabei ist die Situation für die Flughafengesellschaft alles andere als strahlend. Corona sorgt dafür, dass die Auslastung des künftig einzigen Berliner Flughafens derzeit unter 20 Prozent der Vorjahreszahlen liegt. Und mit dem erneuten deutschlandweiten Lockdown ab Montag dürften sie weiter massiv sinken. Im April, zur Hochphase der ersten Pandemiewelle in Europa, betrugen die Fluggastzahlen in Berlin gerade mal 0,9 Prozent des Vorjahreszeitraums.

Die Startphase fällt also in eine besonders schwierige Zeit. Wenn man fortan noch Witze über den BER machen kann, dann diese: Jetzt ist er endlich fertig, und fast niemand braucht ihn. Doch lachen mag darüber wohl eigentlich niemand, denn schließlich ist dadurch auch die Reisefreiheit eingeschränkt. Viele Fluggäste werden am BER in den kommenden Wochen jedenfalls nicht erwartet – mit einem entsprechend verringerten Angebot stellen sich die Fluggesellschaften darauf ein. Der bislang größte Anbieter etwa, das britische Luftfahrtunternehmen Easyjet, hat die in Berlin im vergangenen Jahr stationierte Flotte von 34 Flugzeugen auf 18 reduziert. So gut wie alle stehen an diesem Samstag dekorativ auf dem Flugfeld.

„Sie haben geliefert, liefern Sie weiter“

Andreas Scheuer (CSU), Verkehrsminister

Die Lufthansa, die in der Vergangenheit betont hat, sich auch weiterhin auf ihre Drehkreuze in Frankfurt/Main und München konzentrieren zu wollen, hat am Samstag am BER zwar drei Maschinen öffentlichkeitswirksam abgestellt. Eigens stationiert hat Deutschlands just für 9 Milliarden Euro Steuergeld gerettete Airline am BER aber kein einziges Flugzeug. Sie nutzt den Flughafen vor allem als Ausgangspunkt für Langstreckenflüge mit Umstieg in Frankfurt oder München. Trotzdem trägt die erste gelandete Maschine der Airline die Aufschrift „Lufthansa liebt Berlin“. Mal sehen, wie sich diese Liebe in Zukunft ausdrückt.

Wegen der dramatisch niedrigen Passagierzahlen brauchte die Flughafengesellschaft in diesem Jahr eine Finanzspritze von ihren drei staatlichen Eigentümern in Höhe von bis zu 260 Millionen Euro. Angesichts der schwierigen Finanzsituation geht die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, davon aus, dass es bald erneut eine öffentliche Diskussion über eine eventuelle Privatisierung des Flughafens geben wird, wie sie am Freitag bei einem Live-Gespräch mit der taz sagte. „Ich gehe aber nicht davon aus, dass sich jemand findet, der einen angemessenen Preis dafür zahlen würde“, so Kapek.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller gibt sich dennoch optimistisch: Während der Bauzeit habe es Tage gegeben, „die waren zum Verzweifeln“. Jetzt besäßen Berlin und Brandenburg einen „wunderbaren Flughafen“. Und da sich die Region wirtschaftlich gut entwickle, „haben wir alle Chancen, mit diesem Flughafen gestärkt aus der Krise zu gehen“.

Eine kleine Panne gibt es dann aber doch noch: Die geplante Parallellandung auf beiden Landebahnen kann nicht stattfinden. Das Wetter und damit der Sichtkontakt der Piloten sei zu schlecht.