corona in bremen
: „Das Jahr wird nichts mehr“

Foto: privat

Güngör Cerrah 46, ist Mitgründer von Onkel Ba Streetkitchen.

Interview Samira Ghozzi

taz: Herr Cerrah, nächste Woche ist geschlossen. Was war Ihr erster Gedanke?

Güngör Cerrah: Mein erster Gedanke war: Es geht wieder von vorne los. Die ganzen Bilder der Unsicherheit spielen sich wieder im Kopf ab.

Haben Sie damit gerechnet?

Ja, aber nicht so. Mit so einer kompletten Schließung habe ich nicht gerechnet. Das Jahr wird nichts mehr.

Finden Sie die Maßnahmen gerecht?

Ich finde, dass die Sichtweise darauf wichtig ist. Aus Sicht der Pandemie-Eingrenzung kann ich es verstehen. Aus Angst gehen die meisten sowieso nicht mehr essen. Aber ob die Maßnahmen wirklich effektiv sind, kann erst in den nächsten Wochen beantwortet werden. Ich persönlich finde Straßenbahn fahren gefährlicher, als an einem desinfizierten Tisch im Restaurant zu sitzen, wo auf Maskenpflicht und Hygiene geachtet wird.

Machen Sie in Ihrer Streetkitchen nicht schon genug gegen Corona?

Wir haben in der Gastronomie alles gemacht, was gemacht werden muss. Masken, Desinfektion. Ok, und jetzt sollen wir trotzdem schließen.

Bereuen Sie jetzt, dass Sie sich selbstständig gemacht haben?

Nein. Ich liebe diesen Beruf. Jeder Gastronom macht es aus Leidenschaft. Wir wollen Menschen Genuss und Leidenschaft vermitteln. Die Höhen und Tiefen gehören dazu.

Onkel Ba Streetkitchen, Wachmannstraße,

☎01520-13 10 251

Werden die staatlichen Hilfen ausreichen, um über die Runden zu kommen?

Das weiß ich beim Jahresabschluss. Momentan denkt keiner an die großen Gewinne. Es dreht sich um’s Überleben und Kostendeckung. Wir sind auf Standby. Schadensoptimierung. Es soll bis zu 75 Prozent vom Umsatz des vergangenen Jahres als staatliche Hilfen geben. Wir sind jetzt nicht mehr so unsicher. Beim ersten Lockdown wurden wir alle wahnsinnig.

Was braucht Ihre Streetkitchen, um die Pandemie zu überstehen?

Leute, die essen! Leute, die, anstatt sich zu Hause etwas zu kochen, lieber etwas beim Lieblingsgastronomen abholen. Vielleicht ist es auch eine Chance, Dinge anders zu machen. Eine ganze Reihe Gastronomen haben jetzt zum Beispiel einen Verein gegründet, um sich gegenseitig zu unterstützen, nach dem Motto: „Ich hab noch 10 kg Tomaten, wer braucht noch was?“ Wir sind alle in derselben Situation und müssen uns nicht wegen Masken beschweren, sondern auf einander Rücksicht nehmen.