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Der Ton macht den Geschmack

Gute vegane Rezepte kommen aus traditionellen Küchen im Süden und Osten. Vieles gelingt ausgezeichnet in Tagine und Römertopf

Das Gemüse braucht im Römertopf eine gute Stunde Foto: Lisa Shoemaker

Von Lisa Shoemaker

Es war angeblich noch nie so leicht wie heute, vegan zu leben. Niemand muss seine Essgewohnheiten umstellen. Es gibt Ersatz für Fleisch, Wurst, Käse und andere Molkereiprodukte, äußerlich manchmal kaum zu unterscheiden, sauber in Plastik eingeschweißt. Dagegen ist nichts zu sagen. Im Gegenteil, denn all diese Produkte hinterlassen einen kleineren ökologischen Fußabdruck als ihr tierisches Pendant. Dass es hingegen mit dem kulinarischen Genuss in der veganen Welt nicht immer ganz so einfach ist, lernte ich als Fluggast bei British Airways.

In den 90ern bezog ich eine Gemüsekiste und fing an, bewusst vegetarisch und vegan zu kochen, ohne je das eine oder andere zu werden. Gleichzeitig verabschiedete ich mich endgültig von stark verarbeiteten Lebensmitteln und hörte auf, innerhalb Europas zu fliegen. Doch ausgerechnet hoch im Himmel zwischen Seattle und London hatte ich eine Erleuchtung: Ich hatte uns vorab vegane Verpflegung bestellt, die sich aber im Gegensatz zu meinen – relativ – guten Erfahrungen mit vegetarischen Bordmahlzeiten als ungenießbar erwies. Ein Steward riet mir, das nächste Mal Asian Vegetarian bestellen. Das sei auch vegan, würde aber besser schmecken.

Das ist mittlerweile 25 Jahre her, und ich habe damals verstanden, dass es traditionell vegane Küchen gibt, die auch British Airways nicht gänzlich ruinieren kann.

Wir in Mittel- und Nordeuropa haben keine solchen Traditionen, da wir aufgrund einer Genmutation während der neolithischen Revolution vor rund 8.000 Jahren eine Laktasepersistenz entwickelten. Fortan vertrugen die meisten Menschen hier auch über das Säuglingsalter hinaus Milch, während der Rest der Welt größtenteils laktoseintolerant ist. Zwei Kochmethoden bieten sich für eine vegane Alltagskost besonders an: Wok und Schmortopf.

Für ein schnell zusammengerührtes Gericht im Wok ist es völlig wurscht, ob man geschmacklose Hühnerbrust oder Tofu verwendet. Im Gegenteil, den Tofu kann man in Öl schön knusprig anbraten. Am besten vorher in Sojasauce und geröstetem Sesamöl mariniert.

Da ich die Küche des östlichen und südlichen Mittelmeers sehr schätze, experimentiere ich mit Tagines. Dazu muss man sich nicht extra ein solch irdenes Geschirr zulegen, sondern einfach Omas Römertopf aus der Versenkung holen. Der funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Für vier Personen mindestens 1,5 Kilogramm Gemüse rechnen. Ein paar Kartoffeln dürfen auch dabei sein. Nicht vergessen, vorher den Topf zu wässern.

Wer über ein Gewürzbataillon verfügt, kann sich die Gewürzmischungen selber machen. Ansonsten durchforstet euer Gewürzregal nach Mischungen: Traditionelle wie Ras el hanut aus Marokko, Baharat aus dem Libanon, ein indisches Masala, Kräuter der Provence, eine mexikansiche Mischung? Mit etwas Öl und ein wenig Wasser in den Topf geben, Deckel drauf und eine gute Stunde in den 180 °C heißen Ofen schieben. Das Schöne an diesen Tongefäßen ist, dass sich beim Schmoren eine Sauce bildet. Es fehlen die Röstaromen? Dafür gibt es Nachhilfe: spanischer Räucherpaprika (Pimenton de la vera, wahlweise in dulce oder picante), Rauchsalz oder Liquid Smoke aus der Sprühflasche.

Der Begriff vegan entstand im Jahr 1944 aus den ersten drei und den letzten zwei Buchstaben des Wortes VEGetariAN, als die gemäßigten Mitglieder der Vegetarian Society in England, in deren Statuten Milch und Fisch zugelassen waren, den radikalen (also jenen, die überhaupt keine tierischen Produkte konsumieren wollten) einen eigenen Newsletter verweigerten. So wurde im November 1944 die Vegan ­Society gegründet.

Seit 1994 wird am 1. November der World Vegan Day begangen. Louise Wallis, die damalige Präsidentin der Vegan Society, legte den Termin auf den 1. November. Sie begründete dies auch damit, dass ihr die Überschneidung mit Halloween auf der einen Seite sowie dem Tag der Toten auf der anderen Seite gefiel.

Beim Weltvegantag geht es nicht alleine darum, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und den Veganismus in Ehren zu halten. Im Vordergrund steht an diesem Tag vor allem die Aufklärungsarbeit: Menschen, die bisher noch keinen oder nur wenig Zugang zur veganen Lebensweise haben, sollen durch Informationsmaterial oder Flugblätter zum Nach- und Umdenken gebracht werden.

weltvegantag.org

Nach der Hälfte der Garzeit gekochte Hülsenfrüchte hinzufügen. In die Tagines mit den warmen Gewürzen passen auch gut getrocknete Früchte. Frische Kräuter hacken und mit einer Getreidebeilage servieren: Brot, Reis, Hirse, Nudeln. Im Zusammenspiel mit den Hülsenfrüchten ergibt das gute Proteine.

Das Gemüse ist auch als Sandwich toll. Einfach aufs Brot packen. Dazu bedarf es natürlich einer Schmiere, damit es besser rutscht. Vegane Mayo ist einfach herzustellen. Sojamilch mit Zitronensaft, Senf, Salz in einem hohen, schmalen Gefäß verrühren und dann, während der Pürierstab läuft, langsam die doppelte Menge Öl hinzufügen. Diese Mayo kann dann nach Belieben weiter veredelt werden, bei uns stehen Kimchi (selbstgemacht) oder Harissa (gekauft) gerade hoch im Kurs. Hält sich gekühlt mindestens fünf Tage.

Es geht um Ernährungsumstellung: naturbelassene, pflanzliche Produkte von guter Qualität frisch gekocht. Wenn wir industriell verarbeitete Produkte kaufen, stellen wir unsere Ernährung nicht um, sondern substituieren, Methadon statt Heroin.

Veganer Genuss hat viele Seiten: Ich hatte mir nie zum Ziel gesetzt, vegan zu werden. Mein Fokus lag vielmehr darauf, nachhaltiger zu leben. Mark Bittman, ehemaliger Food Kolumnist bei der New York Times, propagiert VB6 – vegan before 6. Bei mir ist es eher umgekehrt. Ich bin nach dem Frühstück meist vegan.