Jörn Kabisch
Angezapft
: Ein Bier wie Bratensauce

Foto: privat

Kann Bier auch umami, habe ich mich immer wieder gefragt. Umami ist der japanische Begriff für herzhaft. Seit etwa hundert Jahren wissen wir, dass der Mensch auf der Zunge neben süß, sauer, bitter, salzig und scharf noch Rezeptoren für diesen weiteren Geschmack hat. Es ist die Glutaminsäure, die diesen Eindruck auslöst und in vielen Lebensmitteln natürlich vorkommt. Käse, Tomaten, Algen, Fleisch – all das mundet vor allem wegen seines starken Umami-Geschmacks. Die Glutaminsäure ist ein wichtiger Bestandteil des Proteinmoleküls. So wie uns „Süß“ auf der Zunge meldet, dass Zucker und damit Kohlenhydrate verfügbar sind, also schnelle Energielieferanten, hat uns die Evolution mit den Umami-Rezeptoren ausgestattet, die auf Eiweiß hinweisen. Kein Wunder, Eiweiße sind wie Fette essenzielle Ernährungsbestandteile, übrigens anders als Kohlenhydrate.

Jahrelang habe ich Biere als süß beschrieben, als bitter, sauer oder fruchtig, manche haben auch pfeffrige Noten. Aber als umami noch nie. Es liegt nicht auf der Hand, ein bitzelndes Getränk mit Parmesan zu vergleichen oder mit Sojasauce. Und dann ist mir ein Bier begegnet, das hat in mir sofort die Assoziation von Bratensauce hervorgerufen. Diese dunkelbraune Tunke, ganz genau, die es zum Sauerbraten gibt: sämig, leicht säuerlich, süß von darin aufgegangenen Rosinen, mit einem starken Lebkuchengeschmack, weil Zimt, Nelken, Ingwer, Kardamom, Wacholder und Piment mit in den Schmortopf kamen oder einfach gleich Lebkuchen hineingebröckelt wurde.

Und genauso schmeckt dieses Bier. Es ist das Dunkel von Elch-Bräu – mit Sitz in Thuisbrunn am Südende der fränkischen Schweiz, die mit so vielen Brauereien ausgestattet ist, dass man sie eigentlich das deutsche Burgund des Bieres nennen muss. Ich zitiere einfach mal den Braumeister Georg Kugler, wie er sein Bier selbst beschreibt: „Ein klassisches Dunkles, bei dem die Röstaromen deutlich im Vordergrund stehen sollen. Schlank und elegant, mit vielschichtigen Aromen nach Bitterschokolade, geröstetem Schwarzbrot aber auch grüner Hopfenfrische. Aromen reifer Früchte verbinden sich angenehm mit eleganter Malzigkeit.“

Ich könnte es in der Biersprache nicht besser sagen. Aber wie drücke ich aus, dass ich bei einem Schluck des Elch-Dunkels an Rouladen denken muss und mir vorstelle, wie ich mit einem großen Schuss aus der Flasche die Soße zum Fleisch auf Höchstform bringe.

Dunkel naturtrüb, Elch-Bräu Thuisbrunn, 4,9 % vol.

Glutaminsäure, lerne ich, ist auch ein Nebenprodukt von Fermentationsprozessen. Es wird von Hefen produziert. Wein ist deswegen sehr umamihaltig, Bier eher weniger, sagt mir die ernährungswissenschaftliche Literatur. Das Elch-Dunkel ist die Ausnahme von der Regel.