Der Meister ist ein Club aus ...

Dass der nächste deutsche Handball-Meister aus Norddeutschland kommt: Darüber sind sichunsere Autor*innen einig. Die Frage ist: Holt wieder der schon so oft erfolgreiche THW Kiel den Titel – oder die SG Flensburg Handewitt? Zwei Texte, zwei Meinungen und eine Wette – um ein Glas Wein

Wuchtiger Wurf: Kiels Miha Zarabec (M.) zielt an Flensburgs Simon Hald Jensen (l.) und Magnus Rod (r.) vorbei Foto: Axel Heimken/dpa

Flensburg

Niemand weiß natürlich, wie die vergangene Bundesliga-Saison ohne coronabedingten Abbruch ausgegangen wäre. Die SG Flensburg hat es sportlich genommen, dass der THW Kiel acht Spieltage vor Schluss mit nur zwei Punkten Vorsprung zum Meister erklärt wurde – und ihr die Chance nahm, den 2018 sensationell gewonnen Titel zum zweiten Mal zu verteidigen. Umso größer ist der Ehrgeiz der Mannschaft, das Triple in dieser Saison zu vollenden.

Auch wenn es letzte Woche in Skopje die erste Champions-League-Niederlage gab – das Team war von Beginn der Saison an trotz der fehlenden Höllen-Stimmung in der Flens-Arena voll da. Man merkt ihm an, dass es seinen großen Umbruch schon 2018 vollzogen hat. Die damals mit sechs Spielern runderneuerte Mannschaft, die auf Anhieb souverän deutscher Meister wurde, ist nochmals verstärkt worden: Dem Abgang von Anders Zachariassen stehen die Zugänge von dessen dänischen Nationalmannschaftskollegen Mads Mensah Larsen und Lasse Møller gegenüber.

„Man sieht der Mannschaft beim Wachsen zu“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitungüber die erste Folge der TV-Doku „Inside SG Flensburg-Handewitt“, die am Freitag zu sehen war. Diesem Wachstum kann selbst das Verletzungspech von Johannes Golla, Jakob Heinl und Lasse Møller nichts anhaben.

„Dann bekommt jeder mehr Verantwortung, dann müssen Aufgaben als Mannschaft gelöst werden, was unsere sportliche Weiterentwicklung fördert“, sagt Trainer Maik Machulla. Das ist genau der Spirit, mit dem die SG dem Starspieler-Handball von der anderen Förde seit Jahrzehnten Paroli bietet.

Erfolge werden über die Zusammenarbeit der Gruppe eingefahren – nicht über die Brillianz Einzelner. Dieses skandinavisch geprägte Konzept ist in die DNA des Flensburger Handballs eingegangen. Für das ist der Malocher Machulla genau der richtige Anführer.

Dass es damit in dieser Saison wieder gegen den Lieblingsrivalen reicht, konnte man zwar an diesem Sonntag noch nicht sehen. Auf lange Sicht wird die mannschaftliche Geschlossenheit wegen der großen Belastungen durch den engen Terminplan und die Weltmeisterschaft Anfang 2021 aber zum entscheidenden Faktor werden. Ralf Lorenzen

Kiel

Wetz- wer? Das Spiel gegen die HSG Wetzlar Anfang Oktober war eines zum schnell wieder Vergessen. Der THW Kiel wurde mit 31:22 aus der hessischen Halle geballert. Eine ziemliche Blamage für den amtierenden Deutschen Meister – aber: so what?

Daran, dass die coronakonforme Meisterfeier am Ende der Saison 2020/21 auf dem Kieler Rathausplatz stattfindet, ändert ein peinliches Spiel gegen diese Wetzdingens mal so überhaupt nichts.

Das Nordderby gegen Flensburg ist der Beweis: acht Tore Vorsprung. Acht Tore. Acht. Eine Machtdemonstration. Wenn die Kieler Mannschaft fit ist, hat nicht einmal der Rivale Flensburg eine Chance.

Gestern war endlich ein Ende in der Verletzungspechsträhne in Sicht, die die Kieler zuvor aus der Bahn geworfen hatte. Welthandballer und THW-Torwart Niklas Landin stand endlich wieder im Tor – von seiner Knie-OP war nichts zu merken. Er hielt die unmöglichsten Bälle. Und auch Superstar Sander Sagosen, der sich gleich im ersten Bundesligaspiel einen Muskelfaserriss zugezogen hatte, war gegen Flensburg zurück. Schon die Anwesenheit dieser beiden scheint den Rest der Mannschaft zu pushen. Der Kader des THW in dieser Saison ist überragend, die Abwehr mit den Nationalspielern Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek safe und dann spielen da immer noch Handballgrößen wie der kroatische Nationalkapitän Domagoj Duvnjak oder der dänische Linksaußen Magnus Landin.

Das Team ist aber nicht nur eine Aneinanderreihung großer Namen. Die Spieler sind aufeinander eingespielt, es gab kaum Abgänge – und im Zweifel ist auch die vermeintlich zweite Reihe mit voller Leistung am Start. So etwa Torwart Dario Quenstedt, der beim Supercup-Sieg im September zum „Man of the match“ gekürt wurde.

Dort gewann der THW den ersten Titel dieser Saison im Duell mit Flensburg. Das gestrige Spiel hat gezeigt, dass bald unweigerlich der zweite folgen wird. Trainer Filip Jícha hat einen Hunger nach Siegen, der dem Verein lange gefehlt hat. 2020 gab es dafür den ersten Meistertitel. Allen Skeptiker*innen kann die Mannschaft nun beweisen, dass der Titel nach der coronabedingt verkürzten Saison auch sportlich gerechtfertigt war. Andrea Maestro