Wegen regierungskritischer Proteste: Ausnahmezustand in Thailand

Thailands Regime ruft einen verschärften Notstand aus. Führende Köpfe der Protestbewegung, die eine Reform der Monarchie fordern, werden verhaftet.

Konfrontation von Demonstranten und behelmten Polizisten.

Konfrontation zwischen prodemokratischen DemonstrantInnen und der Polizei in Bangkok am 15. Oktober Foto: Jorge Silva/reuters

BERLIN taz | Es war schon befürchtet worden, dass Thailands Regime unter dem heutigen Premierminister und früheren Juntachef und Putschführer Prayut Chan-ocha mit verschärften Repressionen gegen die protestierende Jugend vorgehen würde: Am Donnerstag um 4.00 Uhr morgens Ortszeit trat ein unmittelbar zuvor verhängter Ausnahmezustand in Kraft.

Demnach sind jetzt Versammlungen von mehr als vier Personen verboten. Zensiert werden auch Nachrichten, „welche die nationale Sicherheit beeinträchtigen können“. Auch wurden bereits führende Köpfe der Protestbewegung verhaftet, darunter der Menschenrechtsanwalt Anon Nampa, die Studentin Panusaya Sithijirawattanakul sowie der Aktivist Parit Chiwarak. Die Organisation „Thai Lawyers for Human Rights“ spricht von mindestens 27 Festgenommenen. Ein kleines Protestcamp vor dem Regierungssitz wurde aufgelöst.

Trotzdem versammelten sich am Donnerstagnachmittag einige tausend Regimekritiker an der bekannten Straßenkreuzung Ratchaprasong. Mit dem Begriff „ungekochter Zorn“ beschrieb das kritische Nachrichtenportal Khaosod English den zunächst friedlichen Protest.

An der Kreuzung Ratchaprasong waren vor mehr als zehn Jahren die Kundgebungen der „Rothemden“ niedergeschlagen worden, die weitgehend Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra sind. Damals war der heutige Regierungschef Prayut Vize-Chef der Armee.

Vorfall mit der Kolonne der Königin als Vorwand

Sein Regime nutzte jetzt ein Ereignis vom Vortag als Legitimation für die Verschärfung jenes Notstands, der seit März wegen der Coronapandemie gilt: Ein Wagen der königlichen Autokolonne, in dem Berichten zufolge Königin Suthida und ihr Stiefsohn, Prinz Dipangkorn, saßen, sei am Mittwoch von Protestierenden blockiert worden, lautete der Vorwurf.

Augenzeugen wie der prominente Journalist Pravit Rojanaphruk von Khaosod English widersprechen: Der Wagen sei weder blockiert noch attackiert worden. Die Protestierenden hätten lediglich den „Drei-Finger-Gruß“ gezeigt, der entlehnt aus der Blockbuster-Reihe „Die Tribute von Panem“ in Thailand als Zeichen des Widerstands gegen die Willkürherrschaft gilt. Auch sollen Schimpfwörter gefallen sein.

Pravit und andere stellen die Frage, warum die Polizei die royale Kolonne überhaupt auf dieser Route entlang der Demonstration passieren und nicht umleiten ließ. Der unpopuläre König Maha Vajiralongkorn, der bekanntlich lieber luxuriös in Bayern residiert statt sich in Bangkok um sein Volk zu kümmern, hält sich derzeit ebenfalls in seiner Heimat auf.

Militär eskaliert, um sich als Friedensstifter zu inszenieren

Gegen die Proteste der Jugend hatten zuvor schon Ultra-Royalisten mobilgemacht. Zu Wort meldete sich auch der als skrupellos berüchtigte Suthep Thaugsuban. Als Kopf der Bewegung People's Democratic Reform Committee (PDRC) hatte Suthep 2013 und 2014 Proteste gegen die Regierung von Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra angeführt.

Das bewusste Schüren von Chaos und Gewalt auf Bangkoks Straßen mündete in den Putsch vom Mai 2014. Das Militär, das sich dann nach außen als Friedensstifter inszeniert hatte, war zuvor zentraler Akteur der Eskalation.

Seit diesem 1. Oktober hat Thailand mit General Narongphan Jitkaewtae einen neuen Armeechef. Einem Mantra gleich wiederholte er die Beteuerungen seiner Vorgänger: Er „verspreche, den Frieden in der thailändischen Gesellschaft wiederherzustellen, die Entwicklung des Landes zu unterstützen und der Monarchie treu zu bleiben und sie zu schützen“, zitierte ihn die Bangkok Post kurz vor Amtsantritt.

Seit August hatten die Rufe nach einer Reform der Monarchie an Fahrt aufgenommen. Sie gelten in dieser Form bis dato als beispiellos: Am 10. August hatte die Soziologiestudentin Panusaya das „Thammasat-Manifest“ verlesen, in dem die junge Generation unter anderem fordert, dass es möglich sein müsse, ein Fehlverhalten des Monarchen zu untersuchen. Auch dürfe ein Staatsoberhaupt künftig keine Militärputsche mehr absegnen.

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