Debatte um Jugendhilfe in Hamburg: Studie zu Kinderschutz gefordert

Hamburg soll untersuchen, warum mehr Kinder in Obhut kommen und welche Alternativen es gibt, beantragt die Linke. SPD und Grüne sind dagegen.

Zwei Kinder halten sich an den Händen.

Inobhutnahme bedeutet auch Trennung von Eltern und Geschwistern. Das kann Kinder belasten Foto: Boris Roessler/dpa

HAMBURG taz | In Hamburg werden seit einiger Zeit mehr Kinder in Obhut genommen als früher. Es gibt mehr „Kinderschutzhäuser“ und die Kinder verbleiben recht lange an diesen Orten, die nur als Übergang gedacht sind. Die Linke beantragt nun eine Studie, um Rechte dieser Kinder „vor, während und nach Inobhutnahme“ zu stärken. „Es ist dringend nötig, das wissenschaftlich aufzuarbeiten“, sagt die Kinderpolitikerin Insa Tietjen.

Anfragen aus 2019 hatten ergeben, dass vor allem Kinder unter drei am längsten in den Schutzhäusern bleiben, bevor sie in eine Pflegefamilie kommen oder zu ihren Eltern zurück. Im Schnitt waren es 100 Tage. „Das ist alarmierend und kann das Bindungsverhalten der Kinder gravierend beeinträchtigen“, sagt Tietjen. Denn sie verlieren so den Kontakt zu ihrer Bezugsperson und haben noch keine neue. Besser geeignet wären Bereitschaftspflegeeltern, aber deren Zahl ging zurück. Auch Eltern-Kind-Plätze fehlen nach den Analysen der Linken.

Die Studie soll 17 Fragen nachgehen. Etwa, welche Gründe es für die steigenden Inobhutnahmen gibt, ob die seit 2005 eingeführten „Kinderschutzkonzepte“ selber dies bewirkten, und wie oft umstrittene Modediagnosen wie eine „symbiotischen Mutter-Kind-Beziehung“ als Grund herhalten. Auch soll die Personalstruktur in den Schutzhäusern untersucht werden, die sich sogar genötigt sahen, Security einzusetzen.

Unterstützung gibt es von der CDU. Eine Hamburger Studie zu Inobhutnahmen befürworte ihre Fraktion „ausdrücklich“, sagt CDU-Frau Silke Seif. Sie schreibt aber einen eigenen Antrag, weil der Linken-Antrag impliziere, dass Jugendamtskontrollen hinderlich seien. Das sieht die CDU nicht so. Doch nötig sei Forschung. Das habe auch die Enquete-Kommission „Kinderrechte weiter stärken“ aus der letzten Legislatur empfohlen.

Fachanhörung als Alternative

Auch SPD und Grüne verweisen auf die Enquete, dort habe man schon viel besprochen. Die Grüne Britta Herman sagt, nötig sei qualitative Forschung, man müsse „Kinder und Jugendliche befragen“. Und eine solche „Beteiligungswerkstatt“ hätten Forscher für die Enquete erstellt und „einige Erkenntnisse geliefert“.

SPD-Familienpolitiker Uwe Lohmann sagt, die Inobhutnahme sei ein „sensibles und immens wichtiges Thema“ der Kinder- und Jugendhilfe. Deshalb hätten sich der Familienausschuss der Bürgerschaft und auch die Enquete-Kommission dessen bereits angenommen. Auch bräuchte man, um die Fragen der Linken seriös zu beantworten, gleich mehrere Studien.

Insa Tietjen hatte gehofft, dass ihr Antrag in den Familienausschuss überwiesen wird. Aus ihrer Sicht sind die Fragen offen genug formuliert. „Die Kinderperspektive ist wichtig. Für ein Gesamtbild brauchen wir aber auch die Perspektive der Eltern und Fachkräfte.“ Doch Montag Abend entschieden SPD und Grüne, den Antrag am Mittwoch abzulehnen.

Das Thema ist damit aber noch nicht ganz vom Tisch. Die Idee zur Studie kommt von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Kinder und Jugend der Linken. LAG-Mitglied Ronald Priess sagt: „Wir überlegen, dann dazu eine Fachanhörung zu machen.“

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