Nach der Parlamentswahl in Neuseeland: Ardern will Koalition mit Grünen

Trotz des deutlichen Wahlsiegs will die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Jacinda Ardern mit den Grünen über eine Koalition verhandeln.

Ministerpräsidentin Jacinda Ardern sitzt mit mehreren Menschen beim Kuchen und lächelt

Das sind keine Koalitionsgespräche, sondern ein Labour-Kaffeekränzchen am Sonntag nach der Wahl Foto: Mark Baker/ap

CANBERRA taz | Es schien fast, als ob Ministerpräsidentin Jacinda Ardern das Wahlergebnis selbst kaum glauben konnte. Den Tränen nahe wandte sie sich Samstagnacht an ihre Anhänger, sichtlich gerührt von der enormen Unterstützung, die sie und ihre Labourpartei an der Wahlurne erfahren hatten. „Das Ergebnis von heute Abend gibt Labour ein sehr starkes und klares Mandat“, sagte sie. Ein Mandat für den deutlichen Ausbau ihrer ohnehin schon progressiveren Politik.

Der bisherige Hemmblock ist weg: die Partei NZ First, die mit den Grünen seit 2017 in einer Koalition mit Labour regiert hatte, scheiterte an der Fünfprozenthürde. Die nationalistische sozial konservative Partei unter Winston Peters war von Kommentatoren dafür verantwortlich gemacht worden, dass Ardern wichtige Versprechen nicht einhalten konnte: eine Reduktion der Kinderarmut, den Bau von tausenden Sozialwohnungen und eine entschiedene Politik gegen den Klimawandel.

Labour bekam 64 der 120 Sitze im Einkammerparlament. Die konservative Nationalpartei erreichte nur 35. Dieses stärkste Wahlergebnis seit 50 Jahren ermöglicht Labour politisch umzusetzen, was immer Ardern will. Es steht der Partei frei, ohne Koalitionspartner zu regieren – erstmals seit Einführung eines neuen Wahlsystems 1996. Trotzdem kündigte Ardern am Sonntag an, mit den Grünen über eine Koalition sprechen zu wollen. Die kamen auf 10 Sitze.

Judith Collins, Chefin der Nationalpartei, hatte Ardern noch am Samstagabend gratuliert und ihre Niederlage eingestanden. Umfragen hatten schon länger auf einen Sieg von Labour und Ardern schließen lassen, einer der populärsten Politikerinnen der Welt.

Großes Kommunikationstalent

Selbst ihre schärfsten Kritiker loben das Kommunikationstalent der früheren Imbissverkäuferin und studierten Politologin, ihren Zugang zu den Menschen auf der Straße und ihre „Normalität“.

Ardern hat aber nicht nur Charisma, sondern hat sich vor allem in Krisenzeiten profiliert. Neuseeland ist heute praktisch coronafrei. Bei fast 5 Millionen Einwohnern gab es bisher nur rund 1.500 Infektionen und 25 Todesfälle.

Experten führen dies darauf zurück, dass es der 40-Jährigen gelungen war, das Volk von der Notwendigkeit eines frühen und harten Lockdowns zu überzeugen.

Ihre Worte der Versöhnung nach dem Attentat in Christchurch 2019, bei dem ein rechtsextremer Rassist 51 Muslime erschossen hatte, sind ein Paradebeispiel für eine Politik des Mitgefühls. Spätestens seitdem ist Ardern auch international bekannt.

Viele sind von wirtschaftlicher Existenz bedroht

Sie wird jetzt ihr gesamtes Talent brauchen, um die Menschen des Antipodenstaates weiter zusammenzuführen. Die Coronakrise hat auch Neuseeland in eine Rezession gestürzt. Der Tourismus als wichtiger Wirtschaftszweig ist als Folge der Schließung der Landesgrenzen praktisch stillgelegt.

Arbeitslosigkeit, kombiniert mit anhaltend bitterer Armut in Teilen der Bevölkerung, und der extreme Mangel an bezahlbarem Wohnraum – diese Faktoren bedrohen die wirtschaftliche Existenz und die Lebensqualität von Millionen Menschen.

Beobachter rechnen damit, dass Ardern nicht nur Programme zur Verbesserung der sozialen Situation vorantreiben wird. Wichtig ist ihr auch der Kampf gegen die globale Erwärmung. Sie hat angekündigt, Neuseeland werde bis 2050 kohlenstoffneutral sein.

Das Land steht damit in Konflikt zum Nachbarn Australien. Die dortige konservative Regierung unter Premierminister Scott Morrison hat jüngst klargemacht, den Abbau von klimagefährdenden fossilen Treibstoffen wie Kohle und Gas nicht nur weiterzuführen zu wollen, sondern sogar auszubauen.

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