Nächstes Level: Klimaschutz

Kohlendioxid einsparen als Teamereignis: Das versprach der Bremer Verein „Klimaschutz for all“ vor einem Jahr mit einer neuen App. Pünktlich zum Jubiläum wird diese Testphase evaluiert – schließlich soll bald die reguläre Nutzung beginnen

Viele Punkte in der App? Nein, „Klimaschutz for all“ gab es 2016 noch nicht mal in Gedanken Foto: Gregor Fischer/dpa

Von Mahé Crüsemann

Ein „Weight Watchers für Klimaziele“, das war die Idee, mit der Uli Wischnath und seine Mitstreiter*innen „Klimaschutz for all“ gründeten. Am 22. Oktober feiert der Verein nun seinen ersten Geburtstag. Auch wenn wegen Corona vieles ein wenig anders lief als geplant, können die ersten Erfahrungen aus der Praxis jetzt schon evaluiert werden.

Mit einer App, so das Konzept, sollten Teilnehmer*innen ein Jahr lang verschiedene Aufgaben zum Klimaschutz lösen – und dabei spielerisch die Stellschrauben kennenlernen, an denen jede*r in ihrem oder seinem Alltag drehen kann, um die Klimakrise auf persönlicher Ebene anzugehen.

„Der Kern der Sache ist nicht das schlechte Gewissen, sondern der Wunsch, und den unterstelle ich jetzt einfach mal allen, dass wir diese Welt in einem gut bewohnbaren Zustand an die nächsten Generationen übergeben“, sagte Wischnath der taz vor einem Jahr. Im Februar ist der Testlauf in der Praxis gestartet – beschränkt zunächst auf den Stadtteil Findorff, mit 25 Teilnehmer*innen.

Nele Barneföhr ist eine der Tester*-innen dieser ersten Gruppe. Die 22-Jährige war durch einen Flyer in ihrem Briefkasten auf das Projekt aufmerksam geworden. In ihrem Alter hätten nur recht wenige mitgemacht, erzählt Barneföhr. „Die Gruppe war sehr gemischt“, sagt sie. „Und ich hatte nicht das Gefühl, dass alle, die da waren, schon super versiert waren, was das Thema angeht. Das war nett.“

Jeden Monat haben die Test-Teilnehmer*innen über die App Infos und Aufgaben zu je einem Themenfeld des Klimaschutzes bekommen. Für erfüllte Challenges gab es Punkte. „Am eindrücklichsten erinnere ich mich an die Aufgabe zum Thema Konsum“, sagt Barneföhr. Der Auftrag sei gewesen, den eigenen Kleiderschrank einmal zu betrachten und für jedes Kleidungsstück auf einer Webseite die jeweilige CO²-Bilanz zu errechnen. „Das war echt erschreckend“, sagt Barneföhr.

Die Teilnehmenden waren in Teams von vier bis fünf Leuten eingeteilt. Eigentlich sollten die sich regelmäßig sehen, um den Fortschritt der Gruppe zu besprechen – dann kam Corona. „Meine Gruppe hat sich leider nie persönlich getroffen“, erzählt Barneföhr. Die Kommunikation habe immer über E-Mail stattgefunden. Das aber immerhin habe gut geklappt. „Wenn man über die App dann ab uns zu eine Mitteilung bekommen hat, dass ein anderes Mitglied Punkte für das Team gesammelt hat, wurde man auf eine positive Weise auch wieder daran erinnert, etwas zu tun“, sagt Barneföhr. „Man wollte die anderen dann nicht alleine kämpfen lassen, das spornt einen schon an.“

Über die acht Monate Testphase, die das Projekt nun hinter sich hat, sind von den 25 Teilnehmer*innen drei ausgestiegen, erzählt Wischnath. Von den verbleibenden Engagierten sei etwa die Hälfte recht aktiv dabei, die anderen weniger intensiv. Der Erfinder selbst sagt mit Blick auf den Ablauf des Projekts bisher: „Es war dann doch alles mehr Arbeit als gedacht.“ Vor allem die inhaltliche Vorbereitung der jeweiligen Themenblöcke habe mehr Zeit benötigt als geplant.

„Man wollte die anderen dann nicht alleine kämpfen lassen, das spornt einen schon an“

Nele Barneföhr, Teilnehmerin

Aus „Klimaschutz for all“ wird im neuen Jahr „Climactivity“. Das wird aber womöglich nicht das Einzige bleiben, das sich ändert: Bereits im Juli haben Wischnath und sein Team mit allen Teilnehmenden Einzelgespräche geführt, um Anregungen für die Umgestaltung des Ganzen zu bekommen. Schließlich soll das Projekt nach der Testphase nun ordentlich wachsen: Per spektivisch sollen bis September 2022 etwa 1.000 Menschen in Bremen und umzu teilnehmen.

Dann nämlich läuft die Förderung des Projekts durch das Bundesumweltministerium in Höhe von 93.000 Euro aus. Wie es in Zukunft weitergeht, hängt auch an der langfristigen Finanzierung. Nach den zwei Jahren Förderung durch das Ministerium soll Climactivity sich selbst tragen. „Gegen Jahresende ist unter anderem eine Crowdfundingkampagne geplant“, sagt Wischnath.

Um weitere Teilnehmer*innen zu gewinnen, setzt Wischnath darauf, dass die Teilnehmenden in Zukunft Freunde und Bekannte anwerben und das Projekt sich so verbreitet. Er hofft, der spielerische Zugang über die App mache es möglich, auch Menschen außerhalb der „Klimaschutz-Bubble“ zu erreichen.

Nele Barneföhr wünscht sich jedenfalls, dass das Projekt auch nach der Testphase weiterläuft: „Ich hoffe, man kann dann jedes Jahr noch mal die Themen bearbeiten, die man vielleicht ausgespart hat.“ Barneföhr könne sich auch gut vorstellen, dann Freunde anzuwerben. „Wäre der Testlauf von der Teilnehmerzahl her nicht begrenzt gewesen, hätte ich auch schon andere dazu geholt“, sagt sie.