Auf Gratulationstour

Thomas Müller wird nach dem Erfolg des FC Bayern in Bielefeld mit Lob überschüttet. Und wieder beginnt eine beliebte Debatte

Feiern wie Serge Gnabry: Thomas Müller (r.) ist kein Jubel fremd Foto: dpa

Aus BielefeldAndreas Morbach

Eineinhalb Stunden lang hatte Thomas Müller seine Mitspieler lautstark angetrieben, sie mit aufmunternden Gesten immer wieder zu forschen Tacklings oder gelungenen Pässen beglückwünscht. Dann marschierte der emsige Kümmerer nach dem nie gefährdeten 4:1-Erfolg schnurstracks auf seinen neuen alten Kollegen Douglas Costa zu.

Der 30-jährige Brasilianer, schon zwischen 2015 und 2017 beim FCB beschäftigt, war Anfang Oktober auf Leihbasis an die Säbener Straße zurückgekehrt. Jetzt stand er in der südwestlichen Ecke der rustikalen Arminia-Arena, ließ sich von Müller herzlich an die Brust drücken. Und ehe der auf seiner Gratulationstour weiterzog, tippte er Costa mit zwei Fingern vorsichtig auf den Kopf. Eine rührende Szene, die Müllers aktuelle Rolle beim Rekordmeister symbolisiert.

Der gebürtige Oberbayer ist nicht nur der unentbehrliche Dauerrenner und Raumdeuter im Team der Münchner, sondern auch dessen emotionaler Lokomotivführer. „Ich hätte ihn heute, ähnlich wie Robert Lewandowski, auch gern früher rausgenommen“, erklärte Trainer Hansi Flick. Aber das ging eben nicht. Denn, so der Coach über Müller: „Es ist einfach klasse, wie er die Räume sieht, wie er uns hilft. Das war ein sehr, sehr gutes Spiel von ihm.“

Der Hochgelobte wollte da gar nicht erst widersprechen. In Bielefeld erzielte er den ersten und letzten Treffer der Gäste, leistete für den ebenfalls zweifachen Torschützen Lewandowski beim 3:0 zudem die Vorarbeit. Es war Müllers 150. Assist in der Bundesliga – eine Rekordmarke, zu der ihm spontan einfiel: „Das ist schon ganz nett.“

Ganz nett fände der Weltmeister von 2014 auch mal wieder eine Einladung zur Nationalmannschaft. Im März des vergangenen Jahres verkündete Bundestrainer Joachim Löw, dass Mats Hummels, Jérôme Boa­teng und Müller nicht mehr Teil der DFB-Auswahl seien. Diskussionen über eine Rückkehr der Verbannten köcheln seitdem immer wieder hoch, und im Zusammenhang mit der hohen Belastung durch den verspäteten Saisonbeginn griff Müller dieses Thema in Ostwestfalen nun selbst auf.

„Es macht richtig Spaß, Thomas Müller zuzugucken“

Uwe Neuhaus, Arminia-Coach

„Lang, lang ist’s her, dass ich Nationalspieler war“, erwähnte er so beiläufig wie spitzbübisch. „Damals haben wir auch von September bis Weihnachten durchgespielt. Die Beschwerden wegen der Coronageschichte kann ich nicht nachvollziehen, das packen wir schon. Aber dass es immer neue Wettbewerbe gibt – das ist eine andere Sache“. Ansonsten ließ er Löw im Zusammenhang mit der EM im kommenden Jahr noch ohne jede falsche Bescheidenheit wissen: „Dass ich mich in einer guten Verfassung befinde, sieht jeder. Darüber brauchen wir nicht mehr viele Worte zu verlieren.“

Er wolle diese Angelegenheit „schön ruhig angehen und schauen, was passiert“. Und die Trainer der gegnerischen Mannschaften werden sich von Woche zu Woche überlegen, wie sie den bajuwarischen Hansdampf in den Griff bekommen. Als Nächster damit beschäftigen muss sich der Argentinier Diego Simeone, der zum Start in die neue Champions-League-Runde mit Atlético Madrid am Mittwoch in München gastiert.

„Was das defensive Bollwerk betrifft, wird das natürlich eine andere Hausnummer als hier“, warnte Thomas Müller in Bielefeld, während Uwe Neuhaus noch mit dem frisch Erlebten beschäftigt war. Zur Bekämpfung von Müllers „überragenden Laufwegen“ hatte sich Arminias Cheftrainer für eine Doppel-Sechs entschieden. Und als die Partie gespielt war, schwärmte der 60-Jährigen: „Thomas Müller ist eine Augenweide – es macht richtig Spaß, ihm zuzugucken.“