die woche in berlin
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Bisher Unbekannte beschädigen aus bisher unbekannten Gründen offenbar unbemerkt zahlreiche Ausstellungsstücke in drei Museen. Der Regierende und seine Gesundheitssenatorin echauffieren sich darüber, dass auch in der Coronakrise noch das Recht gilt. Und eine neue Initiative will (fast) alle Autos aus der Innenstadt verbannen.

Mehr radikal als realistisch

Eine Initiative will Berlin per Entscheid „autofrei“ machen

Wir leben in Zeiten großer Weichenstellungen. Diesen pathetischen Satz kann man auf vieles anwenden. Er passt aber auch ganz gut zur Frage, welche Rolle künftig das Auto in unseren Gesellschaften und vor allem Städten spielen wird, nein: darf. Während die Hersteller immer größere Straßenpanzer in den Markt drücken, wurde gerade in Frankreich – dies mal als kleiner Blick über den Tellerrand – gerade eine schmerzhafte Sondersteuer auf besonders schwere SUVs beschlossen.

In Berlin will nun eine Initiative das, pardon, ganz große Rad drehen: Sie stellte am Mittwoch ihre Pläne vor, die Innenstadt innerhalb von weniger als zehn Jahren „autofrei“ zu machen. Und nicht für einen wohlklingenden Appell sollen die BürgerInnen ab dem Frühjahr unterschreiben (und irgendwann womöglich an die Urnen gehen), sondern für einen knallharten Gesetzentwurf.

Wobei der so knallhart aber nicht ausfallen wird. Busse, Laster und Müllwagen, Taxis, Transporter und Krankenwagen sowie eine Vielzahl von mit guten Gründen befreite private Kfz würden weiterrollen. Und zwar, das ist reine Logik, deutlich mehr als heute. Denn nicht nur müsste der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut werden; auch für Lieferdienste würden wohl goldene Zeiten anbrechen.

Um mal ganz frech ein Argument der CDU ins Feld zu führen: „Welche Verwaltung soll den Ansturm auf Sondergenehmigungen bewältigen?“ Klingt kleinmütig, ist deshalb aber nicht falsch. Auch sonst würde ein solcher Schritt einen schier endlosen Rattenschwanz an Folgeproblemen hinter sich herziehen. Insbesondere verlagerten sich viele Probleme in den Bereich außerhalb des Rings, wo im Gegensatz zum Volksglauben weit mehr als zwei Drittel der BerlinerInnen wohnen.

Viel realistischer sind da die längst diskutierten Maßnahmen einer City-Maut, des Verbots von Verbrennungsmotoren, der massiven Ausweitung von Tempo 30 und der Einrichtung von Kiezblöcken. Das denken auch die allermeisten grünen PolitikerInnen, Kritik an „Berlin autofrei“ kam ihnen aber – abgesehen von „juristisch hochkomplex, bedarf gründlicher Prüfung“ – nicht über die Lippen.

Wie es wird, wenn die Kampagne für den Volksentscheid mit dem nächsten Wahlkampf zusammenfällt? Auf jeden Fall spannend! Claudius Prößer

Trotz ist eine schlechte Anti­coronaregel

Der Senat will die Sperrstunde nun „gerichtsfest“ machen

Welche Regeln gelten für Regierungen in Pandemiezeiten? Diese Frage betrifft das Verhältnis zwischen Exekutive und Parlamenten, wobei letztere zuletzt deutlich mehr Mitsprache bei Coronaverordnungen eingefordert haben. Es geht aber auch um die Wertschätzung der Regierenden für die Justiz, und daran scheint es doch ein wenig zu mangeln.

Am Freitag vergangener Woche hatte das Verwaltungsgericht die vom Senat beschlossene Sperrstunde für Kneipen gekippt. Geklagt hatten elf Wirte, die nun vorerst auch wieder nach 23 Uhr öffnen können. Für weitere zwölf Wirte erging an diesem Freitag die gleiche Eil­entscheidung. Das Gericht bezieht sich dabei auf vom Robert Koch-Institut veröffentlichte Daten, wonach Gaststätten bisher keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen gehabt hätten. Der Senat legte gegen die Entscheidung Beschwerde ein. So weit, so korrekt.

Doch schon am Samstag nach der ersten Entscheidung verletzte SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci die Trennung zwischen beiden Gewalten. Die klagenden Kneipenbetreiber wüssten wohl nicht, was auf dem Spiel steht: „Lockdown mit schweren wirtschaftlichen Folgen! Um dies zu verhindern, tragen auch sie eine Mitverantwortung!“, twitterte sie.

Am Dienstag legte der Regierende Bürgermeister nach: „Es ist kein Erfolg, sich ein oder zwei Stunden mehr Freiheit zu erstreiten, wohl wissend, was das nach sich zieht“, sagte Michael Müller nach der Senatssitzung, in der verschärfte Auflagen für Treffen von Privatpersonen und das Tragen von Masken auf zehn Straßen beschlossen wurden. Und auch, die Sperrstunde „gerichtsfest“ zu machen.

Es offenbart ein fragwürdiges Verständnis von der Arbeit als PolitikerIn, wenn man erst eine Regelung abliefert, die offenbar juristisch nicht haltbar ist, und dann noch jene dafür verantwortlich macht, die sich die in einem Rechtsstaat bestehend Möglichkeit herausnehmen, genau dies feststellen zu lassen. So erhebt sich die Politik moralisch über die Justiz und die BürgerInnen – und zudem über die Erkenntnisse der Wissenschaft, auf die sich die Politik in der Pandemie sonst gerne stützt. Sauertöpfisches Motto: Wenn ihr unsere Vorschriften nicht akzeptiert, dann kriegt ihr halt den Lockdown. Um Verständnis für Anticoronaregelungen zu schaffen, ist dies der falsche Weg. Bert Schulz

Die Museen brauchen mehr Schutz

Auf der Museumsinsel wurden 63 Exponate beschädigt

Als am Mittwoch die Staatlichen Museen zu Berlin in einer Stellungnahme darüber informierten, dass am 3. Oktober Unbekannte in drei Häusern auf der Museumsinsel 63 Ausstellungsstücke mit einer öligen Flüssigkeit verunreinigt hätten, war dies bereits bekannt. Deutschlandfunk und Zeit hatten zuvor von dem spektakulären Fall berichtet. Unzählige Fragen sind dennoch weiter offen: Die nach den möglichen Täter*innen und ihrem Motiv vor allem; aber auch, ob die kruden Telegram-Äußerungen von Attila Hildmann – dieser hatte dazu auffordert, das Pergamonmuseum, den „Tempel des Baal“, abzureißen – direkt oder indirekt mit der Tat in Beziehung stehen.

Der Gefahr, beschädigt zu werden, sind Museumsstücke mehr oder weniger immer ausgesetzt. Unglaubliche Fälle von Vandalismus kennt die Geschichte. Dass dem so ist, ist letztlich gewissermaßen sogar ein großes Glück: Es bedeutet schließlich, dass man nah ran darf und meist ohne den verfälschenden Eindruck von Schutzglas auf die Exponate blicken und sich an ihnen erfreuen kann.

Über eine Stunde muss die Attacke auf der Museumsinsel gedauert haben. Umso irrer, dass das Wachpersonal anscheinend nichts davon mitbekommen hat. Den Vorwurf, seine Objekte nicht ausreichend zu schützen, wie ihn unter anderem Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) formulierte, muss sich die ohnehin seit einiger Zeit in der Kritik stehende Stiftung Preußischer Kulturbesitz deswegen gefallen lassen. Und daraus Konsequenzen ziehen. Denn was, wenn beim nächsten Mal nicht – wie offenbar in diesem Fall – nur ein bisschen Öl verspritzt wird?

Wenn jetzt der Ruf nach mehr Taschenkontrollen, Überwachungskameras und sonstigen Schutzmaßnahmen auch in anderen Häusern laut wird, so ist das nur logisch. Er bedeutet aber auch eine Gratwanderung: Museen sollen und wollen schließlich nahbar und zugänglich für alle Besucher*innen bleiben, Kultur, Kunst, Wissen sinnlich erfahrbar machen, Dialoge öffnen. Was gleichzeitig eben auch eine Form der Prävention sein kann. Denn am Ende bleibt die Frage nach dem Warum: Wie sehr muss man hassen und zwar angesichts der eher wahllosen Auswahl wohl die Kultur, die Institution Museum an sich, um sich auf so eine Tour der Zerstörung zu begeben? Beate Scheder

Der Gefahr, beschädigt zu werden, sind Museums­stücke mehr oder weniger immer ausgesetzt

Beate Scheder über die Attacke auf 63 Exponate auf der Museumsinsel