Papierloser bekommt Recht

ARBEITSPROZESS Ein Serbe ohne Papiere erstreitet vor dem Arbeitsgericht Celle 25.500 Euro Lohnnachzahlung. Sein Arbeitgeber hatte ihm einen Teil seines Lohns vorenthalten

„Migrar – Migration und Arbeit“ heißt eine Anlaufstelle, die Papierlose in Arbeitsrechtsfragen berät. Das bundesweite Pilotprojekt der Gewerkschaft Ver.di wurde im Mai 2008 gegründet und sitzt in Hamburg.

■ 70 Fälle sind bislang bearbeitet worden – oft Fälle aus der Gastronomie und dem Bau.

■ In Zukunft möchte der DGB Hamburg die Arbeitsstelle übernehmen. Das hat die zuständige Kreiskonferenz beschlossen.

■ Öffnungszeiten: Dienstags, 10 – 14 Uhr, Ver.di-Center, Hamburg

VON KAI VON APPEN

Zoban Pantelic* lächelt verschmitzt, wenn er auf seinen Mut angesprochen wird. Denn der hat sich ausgezahlt. 25.500 Euro Lohn muss ihm sein Chef Ingo H. aus dem niedersächsischen Bispingen nachzahlen, den er ihm als Papierlosen aus Serbien in sieben Jahren vorenthalten hat. Das ist in einem Vergleich vorm Arbeitsgericht Celle festgelegt worden. „Das ist ein ganz schönes Signal“, sagt Emilija Mitrović von der gewerkschaftlichen Anlaufstelle für MigrantInnen ohne Aufenthaltsstatus „Migration und Arbeit“, die Pantelic Rechtsschutz gewährt hatte.

Der 48-jährige Familienvater aus der serbischen Kleinstadt Uzice war 2001 auf Irrwegen ohne Visum nach Hamburg gekommen, weil er das Studium seiner Tochter in Belgrad finanzieren wollte, in Serbien aber keine Arbeit mehr fand. Pantelic heuerte zunächst bei einer Leiharbeitsfirma an. Die vermittelte ihn als Schlosser und Schweißer in einen kleinen Metallbetrieb nach Bispingen.

Der Chef der Firma Ingo H. übernahm Pantelic fest in seinem Betrieb. Er vereinbarte einen Stundenlohn von acht Euro und versprach, sich um einen geregelten Aufenthaltsstatuts für Pantelic zu bemühen. „Ich arbeitete fortan 13 bis 14 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche“, berichtet Pantelic. „Ohne Aufenthaltsstatus konnte ich ja nicht viel anderes unternehmen als arbeiten.“

Von dem vereinbarten Lohn bekam Pantelic jedoch nur Abschläge. „Mal 500 Euro, mal 1.000 Euro“, erinnert er sich. Gerade genug, um bei karger Lebensweise immer noch Geld an seine Familie und die studierende Tochter in Belgrad zu schicken, deren Zimmer im Monat 300 Euro kostete.

Als sich Pantelic bei einem schweren Arbeitsunfall die Hand durchbohrte, habe Firmenboss H. ärztliche Hilfe verweigert – aus Angst, dass die Schwarzarbeit auffliegt. „Damals hatte ich Angst vor der Abschiebung“, sagt Pantelic. „Ich wäre früher nie zur Polizei gegangen.“

Doch im Juni 2008 hatte der Serbe genug. Er kündigte und nahm Kontakt zur Anlaufstelle „Migration und Arbeit“ auf. 50.000 Euro vorenthaltenen Lohn machte die bei Ingo H. geltend. Doch der weigerte sich zu zahlen. Die Anlaufstelle klagte für Pantelic, der nach Serbien zurückgekehrt war, vor dem Arbeitsgericht.

Bis zuletzt versuchte Ingo H. um die Nachzahlung herumzukommen. Zunächst behauptete er, Pantelic überhaupt nicht zu kennen. Dann gab er an, Pantelic einen Schlüssel für den Betrieb gegeben zu haben, damit er duschen könne. Dann sei er plötzlich bei einer Leiharbeitsfirma angestellt gewesen, die den Lohn zu zahlen hätte. Zuletzt gab Ingo H. an, Pantelic als Gärtner und Hausmeister nur privat angestellt zu haben, was die Abschlagzahlungen belegen sollten.

Vier Prozesstage setzte der Richter am Arbeitsgericht Celle für das Verfahren an, 13 Zeugen – alle Beschäftigten des Betriebs und Nachbarn – wurden geladen. Denn Pantelic konnte für die gesamte Zeit seine Stempelkarten vorlegen. „Mit den Zeiterfassungskarten war ein wesentlicher Schritt getan“, sagt Pantelic’ Anwalt Christian Lewek. Zudem seien sämtliche Zahlungen von H. von Pantelic schriftlich festgehalten, zum Teil sogar von H. quittiert worden. „Das hat unsere Argumentation glaubwürdig gemacht.“

Vor Gericht lenkte H. schnell ein. Ohne Verhandlung verpflichtete er sich, 25.000 Euro zu bezahlen, dazu 500 Euro für Pantelic’ Flug nach Deutschland. „Das ist mehr als die Hälfte“, sagt Pantelic zufrieden. Der Aufenthaltsstatus habe im Verfahren überhaupt keine Rolle gespielt, sagt Mitrović von der Anlaufstelle „Migration und Arbeit“. Das sei ein Zeichen dafür, dass die Gerichte langsam sensibilisiert seien – und ein tolles Beispiel dafür, „dass auch Menschen ohne Aufenthaltsstatus Rechte haben“.

*Name geändert