Coronakrise in Spanien: Elf Gemeinden abgeriegelt

Ab dem späten Freitagabend wird die Bewegungsfreiheit von fünf Millionen Menschen in Spanien weitgehend eingeschränkt. Auch Madrid ist betroffen.

Eine Frau mit Mundschutzmaske ist allein auf einem städtischen Platz

Wenig los im Madrider Stadtteil Vallecas: die neuen Coronaregeln betreffen auch die Hauptstadt Foto: Bernat Armangue/ap

MADRID taz | Am Freitagabend, 2. Oktober, um 22.48 Uhr treten in Spanien neue drastische Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie in Kraft. Das ist genau 48 Stunden nachdem das entsprechende Dekret von Gesundheitsminister Salvador Illa im Amtsblatt veröffentlicht wurde.

Die Maßnahmen betreffen insgesamt elf Gemeinden, in denen es in den vergangenen 14 Tagen 500 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern gegeben hat, mindestens 10 Prozent der Covid-Tests positiv ausgefallen und 35 Prozent der Intensivbetten bereits belegt sind. Bis auf die nordspanische Stadt Pamplona liegen alle in der Region Madrid – die Hauptstadt inklusive.

Die betroffenen Gemeinden, in denen rund fünf Millionen Menschen leben, werden weitgehend abgeriegelt. Nur wer triftige Gründe wie etwa den Besuch eines Pflegebedürftigen, Arbeit, Behördengänge oder Ausbildung anführen kann darf sein Gebiet verlassen, oder ein eingeschlossenes Gebiet betreten.

Bei privaten Treffen dürfen nicht mehr als sechs Personen anwesend sein. Kulturstätten, Restaurants und Wettbüros müssen ihre Plätze auf die Hälfte reduzieren. Sperrstunde und Ladenschluss werden vorverlegt. Zwar dürfen die Menschen sich innerhalb ihrer Gemeinde bewegen, falls die Regionalverwaltung nicht weitere Einschränkungen erlässt, Gesundheitsminister Illa empfiehlt jedoch „unnötigen Ortswechsel zu vermeiden“.

695 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner

Die Maßnahmen waren nötig geworden, nachdem die Ansteckungsrate vor allem in der Region Madrid außer Kontrolle geraten war. Nirgends in Europa steigt die Zahl der Infektionen so schnell wie hier. In den letzten 14 Tagen gab es Stand Donnerstag 695 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner – 262 in den letzten sieben Tagen.

Ein Fünftel aller Corona-Tests fallen positiv aus, mehr als 40 Prozent der Intensivbetten sind bereits mit Corona-Patienten belegt. Rund ein Drittel der 778.000 spanischen Covid-Fälle und 9.450 der knapp 32.000 Toten stammen aus der Region Madrid. In der letzten Woche starben dort 176 Menschen an Covid.

Die Regionalregierung, eine Koalition der rechten Partido Popular (PP) und der rechtsliberalen Ciudadanos (Cs), die von der rechtsextremen VOX unterstützt wird, hatte bereits in den vergangenen zwei Wochen über 45 Wohngebiete Mobilitätseinschränkungen verhängt.

Das betrifft vor allem die ärmeren Stadtteile und Gemeinden im Süden der Hauptstadt. Die Infektionskurve steigt dennoch weiterhin. Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso weigerte sich strikt, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Streit zwischen Konservativen und Linksregierung

Stattdessen setzt die Konservative auf Konfrontation mit der spanischen Linksregierung des Sozialisten Pedro Sánchez. Sie lässt Verhandlungen platzen, verlangt gleiche Maßnahmen für ganz Spanien, um diesen zunächst zuzustimmen und wenn sie – wie jetzt – von den spanischen Regionen mehrheitlich verabschiedet und von der Zentralregierung umgesetzt werden, erneut den Konsens zu brechen. Ayuso möchte gar gegen die neuen Maßnahmen vor Gericht ziehen.

Das restliche Spanien schaut diesem Spektakel entsetzt zu. Denn die Lage in Madrid bedroht auch die Nachbarregionen wie etwa Castilla y León. Dort regieren wie in Madrid PP und Cs. Dennoch stimmten sie für die Maßnahmen von Gesundheitsminister Illa.

Während in Castilla y León selbst kleinste Gemeinden Personal zur Kontaktverfolgung habe, gibt es in Madrid viel zu wenige Tracer. Die Neueinstellungen im öffentlichen Gesundheitswesen, die Ayuso versprach, als der Lockdown nach der ersten Covid-Welle aufgehoben wurde, lassen bis heute auf sich warten. 72 Gesundheitszentren in Stadtteilen und Dörfern sind geschlossen, das Personal wurde für andere Aufgaben abgezogen.

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