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Weniger reisen, weniger einladen

Der Bund-Länder-Beschluss zu Corona stößt auf Skepsis. Es bleiben regionale Unterschiede, und Verwaltungsgerichte kippen das Beherbergungsverbot

Foto: Kreuzberger Nächte sind lang. Das war vor Corona, jetzt ist in Berlin um 23 Uhr Schluss Foto: Lutz Jäkel/laif

Von Barbara Dribbusch

Während sich das Coronavirus in Deutschland weiter ausbreitet, streiten Bundesländer, Verbände und Betroffene vor Gericht über die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Zum jüngsten Bund-Länder-Beschluss sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), er werde „vemutlich nicht ausreichen“. Am Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut 6.638 Neuinfektionen an einem Tag.

Der Deutsche Städtetag zeigte sich skeptisch, ob die Beschlüsse von Bund und Ländern wirksam sind. „Es wird jetzt etwas mehr einheitliche Regeln bei steigenden Infektionszahlen geben. Aber ob das reicht und die Menschen besser durchblicken können, was gilt, müssen wir erst noch sehen“, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD). Der Spitzenverband der Arbeitgeberverbände kritisierte die Bund-Länder-Beschlüsse als „unklar und unpräzise“.

In der Nacht zu Donnerstag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die RegierungschefInnen der Bundesländer unter anderem darauf geeinigt, die Schwelle für strengere Maßnahmen in Gebieten mit hohen Infektionszahlen zu senken. So soll bereits bei einer Zahl von 35 Neuinfektionen auf 100.000 EinwohnerInnen innerhalb der vergangenen sieben Tage eine Beschränkung für Feiern gelten: Höchstens 15 TeilnehmerInnen im privaten und 25 TeilnehmerInnen im öffentlichen Raum sollen erlaubt sein. Ab einem Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 EinwohnerInnen, dem Wert für sogenannte Risikogebiete, die „Coronahotspots“, sollen private Feiern auf maximal 10 TeilnehmerInnen im öffentlichen Raum und im privaten Raum auf höchstens 10 TeilnehmerInnen aus höchstens zwei Haushalten begrenzt werden.

In einer Protokollnotiz zu dem Beschlusspapier distanzierten sich allerdings die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen von einem strikten Verbot hoher Teilnehmerzahlen bei privaten Feiern. Aufgrund des „erheblichen Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung“ werden diese Länder „Beschränkungen der Teilnehmerzahl für Treffen in den eigenen privaten Räumlichkeiten nur als dringende Empfehlung aussprechen“, heißt es in der Notiz. Niedersachsen meldete laut der Notiz einen „Prüfvorbehalt“ für die „verbindliche Umsetzung der Regelung für die privaten Räume“ an.

Das Bundesland Sachsen will die Obergrenze bei Familienfeiern ebenfalls nicht ganz so streng wie in dem jüngsten Bund-Länder-Beschluss handhaben und in Risikogebieten in öffentlichen Räumen eine Obergrenze von 25 Personen erlauben. „­Familienfeiern mit 500, 600 Personen kennen wir bei uns nicht. Und deswegen sind bei uns auch die Auswirkungen ganz andere“ sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dem MDR Sachsen.

In dem jüngsten Bund-Länder-Beschluss hieß es weiter, man empfehle, schon wenn die Infektionszahlen oberhalb von 35 Neuinfektionen pro 100.000 EinwohnerInnen und Woche liegen, in der Gastronomie eine Sperrstunde sowie zusätzliche Auflagen und Kontrollen einzuführen. Steigt die Zahl der Neuinfektionen auf einen Wert von über 50, sei eine Sperrstunde ab 23 Uhr für Gastronomiebetriebe „verbindlich“. Die Maskenpflicht soll in Gebieten mit hohem Infek­tionsrisiko erweitert werden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte in München am Donnerstag noch schärfere Maßnahmen an. So soll in Bayern künftig eine Maskenpflicht auch in Grundschulen gelten, wenn in einer Region mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gezählt werden. Bei privaten Treffen soll es in den betroffenen Regionen für die nächsten vier Wochen nur noch erlaubt sein, dass sich höchstens 5 Personen aus zwei Haushalten treffen. Laut der Statistik des Robert-Koch-Instituts gelten in Bayern manche Regionen im Allgäu und auch im weiteren Münchner Umkreis als Coronahotspots.

„Familienfeiern mit 500, 600 Personen kennen wir bei uns nicht“

Michael Kretschmer, Sachsens ­Ministerpräsident (CDU)

In dem Bund-Länder-Beschluss werden BürgerInnen aufgefordert, „nicht erforderliche innerdeutsche Reisen“ in Risikogebiete und aus Risikogebieten heraus „zu vermeiden“. Das sogenannte Beherbergungsverbot in vielen Bundesländern, dem zufolge Gäste aus Risikogebieten nicht in Hotels und Gasthöfen übernachten dürfen – es sei denn, sie weisen einen negativen Coronatest vor –, soll „im Lichte der Erfahrungen und des weiteren Verlaufs des Infektionsgeschehens“ erst zum „Ende der Herbst­ferien am 8. November neu bewertet“ werden, heißt es in dem Papier. Einige Bundesländer hatten sich schon jetzt eine einheitliche Regelung gewünscht.

Unter anderem in Berlin, Bremen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gilt das Verbot nicht. In Sachsen wird das Beherbergungsverbot ab kommenden Samstag wieder aufgehoben. Es sei „nicht verhältnismäßig“, kritisierte Sachsens Ministerpräsident Kretschmer. In Niedersachsen und Baden-Württemberg haben Verwaltungsgerichte die Beherbergungsverbote gekippt und gaben damit den Klagen eines Ferienpark-Betreibers und eines Urlaubers statt.

Die Bundeskanzlerin und die RegierungschefInnen der Länder appellierten in dem gemeinsamen Papier an die BürgerInnen, gerade jetzt im Herbst und Winter konsequent die „AHA“-Regeln (Abstand von 1,50 Metern, Hygiene besonders durch Händewaschen, Alltagsmaske) einzuhalten Die Corona-App soll zudem möglichst genutzt werden, und beim Aufenthalt in geschlossenen Räumen mit mehreren Personen „regelmäßig“ gelüftet werden. Das Umweltbundesamt gab am Donnerstag eine Handreichung für Schulen heraus, wonach Klassenräume alle 20 Minuten für etwa 5 Minuten mit weit geöffneten Fenstern gelüftet werden sollen. (mit dpa, afp)