Die Wahrheit: Der kleine Eisenbahnraub

Jetzt greift Bundesinnenminister Horst Seehofer ein: Wie der Modellbahn-Mafia endlich das Handwerk gelegt werden soll.

Selbst eine Miniaturbahn ist vor den Räubern nicht sicher Foto: AP

Man weiß, dass die Lage ernst ist, wenn sich sogar der Innenminister einschaltet, ein Mann, der nicht eben dafür berühmt ist, gesellschaftliche Probleme vorschnell anzugehen. Doch diesmal ist Horst Seehofer (71) mittelbar selbst betroffen: Der passionierte Modelleisenbahner fürchtet um sein Hobby, seit die Bild vorige Woche als erstes Medium über die „Modellbahn-Mafia“ spekulierte. Nach vier Einbrüchen bei einem Thüringer Spielzeughändler in nur drei Jahren war es höchste Eisenbahn für eine Task-Force.

„Die Soko ‚Motive‘ sollte eigentlich schon nach dem dritten Modellbahn-Diebstahl ihre Fahrt aufnehmen, leider gab es Störungen im Betriebsablauf“, erklärte der Bundesinnen­minister heute auf einer Pressekonferenz, bevor er symbolträchtig in eine Trillerpfeife blies und einen Abfahrstab in die Luft hielt. „Aber jetzt sind die Weichen für bundesweite Ermittlungen gestellt“, so Seehofer lokartig schnaufend weiter, „und ich bin sicher, dass wir die Täter bald abschieben können, zum Beispiel aufs Abstellgleis.“

Wer aber sind die Tatverdächtigen? Bei den angezeigten Einbrüchen in Eisenach wurde gezielt nach wertvollen Miniatur-Loks gesucht, man geht daher von sog. Triebwagentätern aus. „Wir haben bereits eine heiße Spur“, behauptet Soko-Leiter Hans Trix, „nämlich TT. Die ist allerdings weit verbreitet. Außerdem könnte das Diebesgut bereits in größere Züge verladen worden sein, im schlimmsten Fall sogar in Lkws! Da endet dann natürlich unsere Zuständigkeit.“

Die ersten Täterprofile führten leider in einen Sackbahnhof: Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, nahm zunächst junge Aktivisten aus der Öko-Protestszene ins Visier, die anhand der Modelle „Schottern und anderen gefährlichen Eingriff in den Zugverkehr“ üben wollten. Jedoch befanden sich unter den entwendeten Teilen auch Dampflokomotiven – ein offenkundiger Widerspruch, sofern man von Kohlegegnern ausgeht.

Erpressung durch Banden

Horst Seehofer fordert nun, in Richtung organisiertes Verbrechen zu denken. „Es gibt immer wieder Berichte von Eisenbahnern, die von verdeckten Banden erpresst werden“, weiß er. „Da heißt es dann etwa: Leg heute um Mitternacht fünfzig gebündelte Monopoly-Banknoten an der Kehrschleife hinterm Eingang des verdeckten Schattenbahnhofs ab, sonst stellen wir deinen Trafo von Wechselstrom auf Gleichstrom!“ Auch soll es schon zur Entführung von Schrankenwärtern gekommen sein, und in einem besonders grausigen Fall wurden Teile mehrerer Playmobil-Statisten am Rande einer Schiene gefunden.

Könnten sogar internationale Organisationen ihre Finger im Spiel haben? „Auch andere Länder haben Leichen im Hobbykeller“, bestätigt Soko-Chef Trix. „Die Chinesen etwa krallen sich bevorzugt Waggons der Nenngröße Z; das ist die kleinste im Handel, aber für die natürlich relativ groß. Man munkelt, dass das Xi-Regime langfristig das Hamburger Miniatur-Wunderland kopieren will!“

Die Russenmafia sei dagegen auf Teile der Transsibirischen Modelleisenbahn fixiert, während libanesische Familienbosse wie „Clanchef Lutz“ es auf Güterzüge für ihren Drogenschmuggel abgesehen hätten. „Einmal konnten wir mit unseren Polizei-Matchboxes einen Wagen voller Koks umzingeln, mussten ihn aber ziehen lassen, weil die Verdächtigen sich darauf beriefen, dass sie damit nur ihre Lok anheizen“, berichtet Hans Trix zerknirscht.

Bedauerlicherweise gebe es kaum Aussteiger aus der Szene, weil die Züge nur selten halten. Und wer andere verpfeift, riskiert, mit 80-Gramm-Beuteln „Geröll“ an den Füßen in einem „See“ zu landen (Art.-Nr. 09232 & 60850). Die Soko „Motive“ plant zurzeit die Aktion „Das Modell und die Schnüffler“: Ein Spitzel soll auf einer Modellbaumesse eingeschleust werden, wofür es jedoch eine besonders abgebrühte Person brauche, die schon genug Elend gesehen hat, um von einem derartigen Event geschockt zu sein.

Kaum Szeneaussteiger

Auch wolle man sich verstärkt in der Nähe jener Spielzeug­eisenbahnplatten, die in zahlreichen Hauptbahnhöfen aufgestellt sind, treffen – sie gelten als beliebte Umschlagplätze für gestohlene Zugteile. „Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass deutsche Bahnhöfe zu Brut­zentren kriminellen Treibens werden“, äußerte in diesem Zusammenhang Margitta J., Sprecherin der Vereinigung privater Meth-Händler und Taschendiebe Frankfurt.

Horst Seehofer ist jedenfalls zuversichtlich, dass die Bevölkerung mithelfen wird, den Zug-Spuk zu beenden. „Wir schaffnern das“, verkündete er am Ende der Pressekonferenz großspurig (H0). „Wir haben schließlich auch die Carrera-Camorra gestoppt und den Schleich-Schleichhandel besiegt. In dieser Sache ist die Kanzlerin übrigens meiner Meinung.“ Na dann: Danke, Märklin.

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