Entscheidung über Emissionshandel: Klimageschäfte aus dem Hinterzimmer

Wie geht es weiter mit dem Emissionshandel? Schon bald könnte dazu eine Entscheidung fallen, die alles andere als gut für das Klima wäre.

Kraftwerkstürme im Sonnenuntergang

Emissionen, die etwas kosten. Für manche wäre das eine Lösung des Klimaschutzdilemmas Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BERLIN taz | Es ist ein häufiges Missverständnis, dass auf Klimakonferenzen der Vereinten Nationen über Klimaschutz gesprochen wird. Also über Klimaschutz im praktischen Sinne.

Wo ein Windrad auf- oder ein Kohlekraftwerk abgestellt wird – das sind keine Fragen, die Gegenstand der Verhandlungen sind. Nur eine Option wird dort heiß debattiert: wie es wieder möglich sein soll, Klimaschutz einzukaufen. Länder, in denen Klimaschutz nicht an Geld, sondern an Wille scheitert, bezahlen für Klimaschutz in Ländern, bei denen es andersherum ist. Die Treibhausgas-Einsparung darf sich dann das Land anrechnen, das gezahlt hat.

Große Teile der Klimabewegung lehnen so ein Vorgehen grundlegend ab. Sie befürchten einen unwirksamen und ungerechten Ablasshandel. Bei den UN-Klimagipfeln versuchen die Diplomat:innen seit Jahren, Regeln für den im Paris-Abkommen vereinbarten Handel zu finden, die genau das verhindern sollen.

Das Thema wird von Gipfel zu Gipfel geschoben, weil manche Regierungen die Regeln gezielt verwässern wollen. Unter anderem wollen Länder wie Brasilien, China und Australien im neuen System weiter die sehr alten und sehr billigen Zertifikate aus dem bisherigen Klimaschutzhandel nutzen, dem Clean Development Mechanism (CDM). Der läuft dieses Jahr eigentlich aus.

Ramschpapiere im Portfolio

Das Problem: Der Nutzen gilt als sehr gering. Die Berliner Denkfabrik New Climate Institute hat in einer Studie ermittelt, dass 82 Prozent der CDM-Projekte einfach weiterlaufen würden, selbst wenn kein Geld mehr durch die übrigen Zertifikate hereinkommt. Wenn Länder sich die Ramschpapiere noch anrechnen dürften, stünde zwar Klimaschutz auf dem Papier, wäre aber kaum real. Die Verhandlungen darüber gehen auf der nächsten Klimakonferenz im schottischen Glasgow weiter, die durch Corona von diesem auf den kommenden Herbst verschoben wurde.

Plot Twist: Statt auf der Klimakonferenz, wo alle Staaten mit am Tisch sitzen, könnte die bedeutsame Entscheidung quasi im Hinterzimmer fallen. Der Vorstand des CDM hat auf das Drängen des Lobbyverbands International Emissions Trading Association angekündigt: Man wolle auf einer Sitzung im Dezember vielleicht beschließen, nach 2020 einfach weitere Zertifikate auszugeben. Ob der Vorstand das überhaupt darf, ist umstritten. Außerdem wird im Dezember noch nicht klar sein, ob der Handel unter dem Paris-Abkommen anerkannt wird.

Fließt aber einmal Geld, dürfte das Fakten schaffen. Wenn Australien beispielsweise schon entsprechende Zertifikate von Brasilien gekauft hat, dann werden beide Regierungen bei der Konferenz in Glasgow noch mehr darauf beharren, dass der angebliche Klimaschutz zählt. „So gut wie alle damit befassten Experten sind sehr besorgt“, sagt der Umweltökonom Reimund Schwarze vom Umweltforschungszentrum Leipzig, der selbst einer dieser Expert:innen ist. „Dieser Vorstoß kam wirklich unerwartet.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1991, ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.