Journalismus in Belarus: Wie man (nicht) akkreditiert wird

Die Regierung Belarus annulliert alle Presseakkreditierungen. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 20.

ein Mann steht mit seiner Kamera zwischen blühenden Sträuchern und fotografiert

Wer nur Blüten fotografiert, könnte GLück haben und weiterhin akkreditiert werden Foto: Natalia Fedosenko/imago

Das belarussische Außenministerium hat alle bereits ausgestellten Akkreditierungen ausländischer Jour­na­lis­t:in­nen für ungültig erklärt. Der Leiter der Presseabteilung beim Außenministerium, Anatoli Glas, betonte: „Das ist keine Säuberung des Nachrichtenfeldes, sondern Arbeit nach neuen Regeln, zur Vereinfachung des Erhalts von Akkreditierungen. Diese Veränderungen sind nicht nur bei uns eingegangenen Akkreditierungswünschen geschuldet, sondern auch dem Druck auf unser Land.

In jüngster Zeit gibt es Unterstützungen finanzieller wie auch organisatorischer Art von Seiten westlicher offen extremistischer Medien.“ Das neue Akkreditierungssystem diene dem Land zur „legalen Verteidigung der Informationshoheit von Belarus.“

Записи из дневника на русском языке можно найти здесь.

„Viele Jour­na­lis­t:in­nen haben schon einen Antrag auf Neu-Akkreditierung gestellt“, erzählt Ekaterina Andreeva, Journalistin bei Belsat (TV-Sender, der von Polen aus für belarussisches Publikum sendet, Anmerkung d. Redaktion), die bereits mehr als zehn Mal wegen Arbeit ohne Genehmigung verhaftet wurde. „Kolleg:innen, wird es überhaupt noch mal Akkreditierungen geben?“

Ein Korrespondent hört auf, ein solcher zu sein, wenn er seinen Zu­schaue­r:in­nen und Zu­hö­re­r:in­nen keine Informationen mehr geben kann. Er wird ins Okrestina-Gefängnis gebracht. Na und? Es gibt Dutzende von uns. Und eine ganze Flut von Nachrichten. Das System kann ‚Darmverschlingungen‘ bekommen, wenn es täglich hunderte von Journalistenfällen verdauen muss. Schon rein physisch kann es damit gar nicht fertig werden.

Als wir mit dem Job angefangen haben, war klar, dass die Regierung nicht aufhören wird, die Meinungsfreiheit zu bekämpfen. Indem wir uns für politischen Journalismus entschieden haben, haben wir quasi mit uns selbst einen schrecklichen Vertrag unterzeichnet, bei dem im Kleingedruckten steht: Mir ist klar, dass wenn ich gut bin in meinem Job, am Ende Gefängnis, Emigration oder Tod stehen. Und wir waren gut.“

Olga Komjagina, Journalistin beim Nachrichtenportal tut.by, wurde am Sonntag verhaftet, sie war an der Kleidung als Pressevertreterin zu erkennen.

„Nur uns konnte man auf der Agrarausstellung verhaften, als ich gerade nach dem Spinatpreis fragte“, sagte Olga. „Bei der Polizei wurde ein ‚prophylaktisches Gespräch‘ geführt.“

Während der friedlichen Proteste am letzten Wochenende wurden 245 Menschen verhaftet. Nach Angaben des belarussischen Journalistenverbandes waren darunter 15 Pressevertreter:innen. Fünf davon kamen ins Isolationshaft, man wird sie für die Teilnahme an nichtgenehmigten Veranstaltungen verurteilen.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

35 Jahre alt, lebt in Minsk und arbeitet bei dem Portal AgroTimes.by. Sie schreibt über besonders verwundbare Gruppen in der Gesellschaft: Menschen mit Behinderung, LGBT, Geflüchtete etc.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.