Die AfD zerlegt sich: Streit statt Politik

In vielen Bundesländern zerstreitet sich die AfD gerade. Es geht um die Richtung der Partei, aber auch um Machtfragen. Fünf Beispiele.

Ein abgerissenes AfD-Plakat liegt im Laub auf dem Boden

Die AfD ist dabei sich selbst zu zerlegen Foto: Ralph Peters/ imago

Nicht nur auf Bundesebene ist die AfD tief zerstritten, auch in vielen Bundesländern – insbesondere im Westen der Republik – sieht es nicht besser aus. Am Freitag ist die nächste Fraktion zerbrochen, diesmal im Kieler Landtag. Anderswo werden Landesvorsitzende gestürzt, ehemalige Spitzenkandidaten in die Wüste geschickt oder Klausurtagungen abgebrochen, weil man es gemeinsam nicht aushält. Opposition im Landtag, wofür die Partei immerhin gewählt wurde, wird zur Nebensache. Die AfD beschäftigt sich vor allen Dingen mit sich selbst.

Schleswig-Holstein: Frak­tionsstatus verloren

Seit Monaten ist die AfD in Schleswig-Holstein tief zerstritten – bis in die Landtagsfraktion hinein. Die Ankündigung des Abgeordneten Frank Brodehl, die Fraktion zu verlassen, war dennoch eine Überraschung. Am Freitag erklärte er während der Debatte über Ganztagsschulen im Kieler Landtag, dass dies seine letzte Rede als Mitglied der AfD und ihrer Fraktion sei. Damit verlieren die AfD-Abgeordneten um Jörg Nobis nun den Fraktionsstatuts.

Als Grund führte Brodehl den Rechtsruck des Landesverbands an. „Die völkisch-nationalistischen Kräfte haben eher noch zugenommen, während die bürgerlich-wertkonservativen Mitglieder die Partei verlassen“, sagte er der Welt. Der Richtungsstreit ist auch ein Grund dafür, warum der Landesverband nach dem Rauswurf der ehemaligen Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte bis hin ins Holocaustleugner*innen-Milieu noch keinen neuen Landesvorsitzenden fand. Andreas Speit

Hessen: Der Spitzenkandidat soll gehen

Abwahlanträge, Parteiausschlussverfahren und gegenseitige Verunglimpfungen gehören zum Alltag der AfD auch in Hessen. Doch die jüngsten Querelen in der Wiesbadener Landtagsfraktion stellen einen neuen Höhepunkt dar. Am 20. Oktober wollen die AfD-Landtagsabgeordneten nämlich über den Ausschluss von zwei Kollegen abstimmen.

Die Mehrheit möchte zentrale Figuren des letzten für die Partei erfolgreichen Landtagswahlkampfs aus der Fraktion ausschließen: den promovierten Frankfurter Zahnarzt Rainer Rahn, der im Jahr 2018 als Spitzenkandidat die Landesliste anführte, und den pensionierten Studienrat Rolf Kahnt, der als Alterspräsident nach der Wahl die Legislaturperiode eröffnen durfte.

Es sind nicht etwa inhaltliche Gründe, die geltend gemacht werden. Immerhin hatte Rainer Rahn im Februar nach den rassistisch motivierten Morden von Hanau allgemeine Empörung ausgelöst, als er Shisha-Bars „störend“ genannt hatte. Nicht solche Entgleisungen werden gegen ihn und seinen Kollegen ins Feld geführt. In peinlich geführten Listen über „Fraktionsverfehlungen“ wird den beiden eher vorgehalten, Sitzungen verpasst, parlamentarische Anfragen eigenmächtig eingereicht und sich bei Abstimmungen nicht an Vorgaben gehalten zu haben. Notiert wurde offenbar auch, wenn Kollegen das Gespräch mit der Konkurrenz gesucht hatten.

Mit den internen Vorwürfen konfrontiert, fühlte sich Rahn an Stasi-Methoden erinnert. Der Ausschluss von zwei Abgeordneten kostet die Partei Geld und Einfluss, doch die Mehrheit dafür gilt als sicher.

Christoph Schmidt-Lunau

Niedersachsen: Die Fraktion zerfällt

Die Reaktionen auf den Rückzug ihrer Chefin aus der niedersächsischen AfD-Fraktion kam schnell. Von der Bundes- bis zur neuen Landesspitze wird Dana Guths Ausschluss aus der Partei gefordert. Denn dadurch, dass Guth mit zwei Kollegen in der vergangenen Woche die Landtagsfraktion verlassen hat, hat die AfD ihren Fraktionsstatus verloren. Das bedeutet weniger parlamentarische Rechte und weniger Geld – rund 100.000 Euro monatlich.

Alexander Gauland, Fraktionschef im Bundestag und Ehrenvorsitzender der Partei, kritisierte, dass mit der „sinnlosen Sprengung der Fraktion“ die AfD „in einem wichtigen Bundesland parlamentarisch quasi handlungsunfähig“ geworden sei – auch er forderte Guths Ausschluss. Ähnlich äußerte sich der neue Landesvorsitzende Jens Kestner über seine Vorgängerin. In einer Kampfabstimmung hatte sich Kestner, der zum offiziell aufgelösten „Flügel“ gehörte, vor zwei Wochen gegen Guth, eine Unterstützerin von Parteichef Jörg Meuthen, durchgesetzt.

Über den Austritt der drei aus der Fraktion wurde schon auf dem Parteitag spekuliert. Guth hatte allerdings zunächst erklärt, an der Fraktionsspitze bleiben zu wollen. Doch auch in der Fraktion war sie umstritten, angeblich hat sie zu wenig politisches Profil entwickelt.

Seit der Gründung der niedersächsischen AfD dominieren Richtungsstreitigkeiten. Auch deshalb zog die Partei bei der Landtagswahl 2017 mit nur 6,2 Prozent der Stimmen und neun Abgeordneten in den Landtag ein. Am Mittwoch will der AfD-Bundesvorstand über ein Parteiordnungsverfahren beraten. Andreas Speit

Bayern: Eine Fraktion ­blockiert sich selbst

Bisweilen mag es ja dem lieben Frieden dienlich sein, wenn sich zerstrittene Kontrahenten gemeinsam in Klausur begeben, um sich in Abgeschiedenheit so richtig auszusprechen. Nicht so vorvergangene Woche bei der bayerischen AfD-Fraktion. Die Klausurtagung ließ den tiefen Graben, der durch die Fraktion geht, einmal mehr vor den Augen der Öffentlichkeit auseinanderklaffen. Statt ihre Zwistigkeiten beizulegen, gingen die Abgeordneten vorzeitig auseinander – ein Eklat.

Hintergrund ist der nun schon seit Monaten andauernde Streit zwischen dem Fraktionsvorstand um Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn auf der einen und der Fraktionsmehrheit auf der anderen Seite. Nachdem zwei Abgeordnete die Fraktion schon in den ersten Monaten der Legislatur verlassen hatten, besteht sie nur noch aus 20 Abgeordneten, von denen nur noch acht hinter dem Vorstand stehen.

Die strammrechte Ebner-Steiner, die bis zu dessen offizieller Auflösung als Anhängerin des „Flügels“ um den Thüringer Parteifreund Björn Höcke galt, hatte noch im Mai mit ihrem Ko-Chef Hahn ein Misstrauensvotum nur deshalb überstanden, da es zur Abwahl des Vorstands einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Dazu fehlten ihren zwölf Gegnern jedoch zwei Stimmen.

Dabei lässt sich nicht so leicht festmachen, was die beiden Gruppen überhaupt entzweit. Sie nur in „Extreme“ und „Moderate“ einzuteilen, wäre zu einfach. Vielmehr dürften viele interne und persönliche Motive eine Rolle spielen. So haben es etliche ihrer Gegner der Niederbayerin Ebner-Steiner nicht verziehen, dass sie im vergangenen Jahr private E-Mails der Kollegen veröffentlicht hatte. In Umfragen liegt der zerstrittene Fraktionshaufen derzeit nur noch zwischen 6 und 7 Prozent. Bei der bayerischen Landtagswahl hatte die AfD noch 10,2 Prozent der Stimmen bekommen. Dominik Baur

Baden-Württemberg: Machtkampf der Bundesspitze

Baden-Württemberg scheint das Schlachtfeld zu werden, auf dem der Machtkampf zwischen dem Parteichef und der Bundestagsfraktionsvorsitzenden ausgetragen wird. Schon seit Längerem rangeln Jörg Meuthen und Alice Weidel um die Vormacht in der Bundespartei, im Landesverband geht es jetzt um Listenplätze für die Bundestagswahl. Meuthen, ehemaliger Landes- und Fraktionschef im Stuttgarter Landtag und derzeit Europa-Abgeordneter, hegt offenbar Ambitionen auf Listenplatz 1. Den aber will auch Weidel.

Im Frühjahr war diese mit nur 54 Prozent der Stimmen zur neuen Landesvorsitzenden gewählt worden. Sie hatte damit den Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel, einen Unterstützer des rechtsextremen „Flügels“, aus dem Feld geschlagen. Meuthen dagegen hat das Problem, dass ihn der eigene Kreisverband nicht als Delegierten für den Bundesparteitag aufstellen wollte.

Im Sommer eskalierte dann der Streit über ein Parteiausschlussverfahren gegen Dubravko Mandic, der Meuthen auf Facebook mit einer Sargdarstellung verunglimpft und vielleicht auch bedroht hatte. Als Meuthen sich beim Landesverband nach dem Stand des Verfahrens erkundigte, weigerte sich dieser, ihm Auskunft zu geben. Meuthen warf dem Vorstand um Weidel daraufhin vor, eine Entscheidung hinauszuzögern, bis die Landesliste aufgestellt sei. Denn Weidel sei auf die Stimmen des „Flügels“ angewiesen. Dessen Einfluss ist im Südwest-Landesverband eher gewachsen. Nach Austritten gemäßigter Abgeordneter haben die Flügelleute auch in der Landtagsfraktion das Sagen.

Die Liste von Mandics Entgleisungen würden in normalen Parteien für mehrere Ausschlussverfahren genügen: Sie reicht von gerichtlich festgestellten Tätlichkeiten über die Pflege von Naziliedgut bis hin zu rassistischen Äußerungen gegen Barack Obama.

In einem Gutachten, von dem Meuthen glaubt, dass es Weidel zurückgehalten habe, heißt es, Mandic sei eine Gefahr für die Partei. Inzwischen hat sich der Landesverband auf einen lauwarmen Kompromiss verständigt: Der Freiburger Stadtrat Mandic darf in der Partei bleiben, aber keine Ämter ausüben. Benno Stieber

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