die woche in berlin
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Assistenzbedürftige Menschen fordern gleiche Bezahlung für Helfer:innen. Verschärfungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie stehen bevor. Die Anhörung der Einwände gegen den Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide gerät turbulent und schwierig

Ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit

Assistenzbedürftige fordern Erhalt der Selbstbestimmung

Warum kann es für Personen in besonderen Lebenssituationen nicht besondere Lösungen geben?“ Diese Frage stellt sich eine der Aktivist:innen des Bündnisses Selbstbestimmt leben am Donnerstag vor dem Abgeordnetenhaus. Das Bündnis assistenzbedürftiger Menschen und ihrer Mitstreiter:innen demonstrierte dort auf besondere Weise: Für den Erhalt der Selbstbestimmung durch das Arbeitgeber:innenmodell und eine bessere Bezahlung ihrer Assistenzkräfte hatten sie sich vor dem Abgeordnetenhaus einfach auf den Asphalt­boden gelegt.

Der Hintergrund des Protestes: Seit es einen Tarifvertrag für Arbeit­nehmer:innen gibt, die assistenzbedürftige Menschen unterstützen, ist das Beschäftigungsmodell, bei dem Betroffene ihre Assistent:innen als Arbeit­geber selbst beschäftigen, finanziell unattraktiv geworden. Denn der Tarifvertrag stuft die bei Assistenzdiensten beschäftigten Helfer:innen gleich zwei Gehaltsstufen höher als privat beschäftigte ein. Viele Assistenzbedürftige bevorzugen aber das Arbeitgeber:innenmodell: Sie möchten ihre Unterstützer:innen, die sie im Schichtmodell oft 24 Stunden rund um die Uhr betreuen, lieber selbst aussuchen als von einem Dienst zugewiesen bekommen.

Deshalb suchten Betroffene am Donnerstag einen Dialog mit der Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach. Ihre Forderung: Ihre Assistent:innen sollten ebenso gut bezahlt werden wie die der Dienste. Denn der Senat muss den im Tarifvertrag vereinbarten höheren Lohn an die Dienste zahlen – an die privat beschäftigten Assistent:innen aber nicht.

Die Senatorin kam dann tatsächlich – mit der enttäuschenden Botschaft: Es geht nicht, weil es nicht geht. Die aktuelle Rechtsgrundlage ließe keine besseren Löhne für Assistenz im Arbeit­geber:innenmodell zu. Fairere Löhne, so Breitenbach, könnten auch da nur durch einen eigenen Tarifvertrag erzielt werden – mit dem sie aber nichts zu tun habe. Tarifverträge werden zwischen Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften ausgehandelt.

Die Aktivist:innen sollten deshalb für einen Tarifvertrag, für eine bessere Bezahlung kämpfen, also weiter auf die Straße gehen. Breitenbach bietet immerhin an, sie dabei zu unterstützen.

Doch für die Protestierenden ist das keine gute Lösung: Sie sind unzufrieden, fühlen sich nicht mitgedacht. Denn bis zum Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 2019 wurden Assistenzkräfte, die im Arbeitgeber:innenmodell beschäftigt waren, genauso bezahlt wie die der Assistenzdienste: trotz fehlender Rechtsgrundlage. Alissa Geffert

Corona­kommando: zurück

Der Turning-Point ist erreicht: Nun drohen Verschärfungen

Es ist schon spannend, in diesem Jahr in Echtzeit verfolgen zu können, wie Wissenschaft funktioniert, sprich wie sie versucht, den richtigen Umgang mit der Coronakrise zu ergründen, zu erklären und schließlich von der Politik umsetzen zu lassen. Ein bisschen fühlt man sich dabei freilich wie eine Labormaus, der – zusammen mit Millionen weiteren Tieren – immer wieder neue Vorgaben vorgesetzt werden. In dieser Woche hat sich deren Zusammensetzung zwar nicht verändert. Aber es gab einen Vorgeschmack, auf das, was kommen dürfte. Und der war ziemlich fad.

Am Donnerstag hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) ausgesprochen, was viele bereits befürchteten. Er gehe davon aus, „dass wir tatsächlich auch wieder Einschränkungen vornehmen müssen, bei diesen Feiern vor allen Dingen im öffentlichen Raum. Das wird man so nicht zulassen können“, so Müller mit Blick auf die Senatssitzung kommenden Dienstag. Zuvor waren Anfang der Woche erstmals zwei der drei Corona-Ampeln – das Warnsystem des Senats – auf Gelb gesprungen; die Zahl der Infektionen in mehreren Innenstadtbezirken ist sprunghaft gestiegen.

Vor allem 20- bis 35-Jährige würden sich derzeit infizieren und damit das Virus potenziell auch weitergeben, sagte Friedrichshain-Kreuzbergs Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) der taz. Hotspots seien Partys, so der Stadtrat. „Wir werden die bekannten Expositionsorte stärker kontrollieren.“ Parallel dazu häufen sich die ausländischen Orte, die vom Robert Koch-Institut zu Risikogebieten erklärt wurden.

Es geht also wieder los. Das in den vergangenen Monaten mühsam zusammengebastelte Gefühl einer weitgehenden Normalität – trotz Mund-Nasen-Schutz und reduziertem Platzangebot im Kino, trotz Namenserfassung in der Kneipe und dauerhändewaschenden Schulkindern – dürfte in den nächsten Wochen wieder jener Unsicherheit weichen, die viele schon im April und Mai beherrscht hat. Anders als damals wird der Einschnitt aber nicht so drastisch und schnell kommen, sondern langsam, nach und nach und stets mit der Frage verbunden, ob die jüngsten Maßnahmen ausreichen. Sprich: ob es wieder zu einem Lockdown kommen wird und muss.

Darüber Prognosen anzustellen, ist schwer und reichlich unseriös. Verhindern ließe sich viel, gleichzeitig will man ja auch Dinge möglich bleiben lassen – womit jetzt nicht Fußballbundesliga­spiele ohne Abstand Marke Union Berlin gemeint sind. Und es sind nicht nur die Politik und die Wissenschaft, die seit März mehr Erkenntnisse über Corona gewonnen haben und entsprechend feiner reagieren können. Auch die Menschen, sprich die Mäuse in den Laboren, haben ihre Erfahrungen gemacht und Verzicht gelernt. Und mal ehrlich: Was wäre schlimm daran, wenn 2020 ohne Weihnachtsmärkte zu Ende ginge? Bert Schulz

Zoff bei der Anhörung von Tesla-Kritikern

Ihre Wut ist nicht verfahrensrelevant

Ende vergangenen Jahres wurde es publik: Schon ab Sommer 2021 sollen im idyllischen Grünheide bei Berlin bis zu 500.000 recht großformatige Elektroautos vom Band rollen. Die Pläne des exzentrischen Autobauers Tesla aus dem Silicon Valley sind in Brandenburg eingeschlagen wie ein Komet.

Das wurde erneut bei der Erörterung der Einwendungen klar, die am Mittwoch in der Stadthalle Erkner stattfand, etwa fünf Kilometer westlich von Grünheide. Eigentlich sollte diese Veranstaltung bereits im Frühjahr stattfinden, dann kam Corona und eine Änderung des Bauantrags durch Tesla. Nun, da die über 400 Einwendungen, wenn auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, endlich diskutiert werden dürfen, wirkt der inzwischen recht massive Baufortschritt in Grünheide dank Vorabgenehmigung für viele wie ein Schlag ins Gesicht. Wald wurde gerodet, erste Betonklötze stehen.

Die Angst und der Ärger der Menschen, die hier leben, wirken wuchtig, sind aber auch nachvollziehbar. 12.000 Arbeitsplätze in der ersten Version der Fabrik, das wird der Region ordentlich einheizen. Dies ist aber nur das Eine. Das Andere ist die berechtigte Sorge der Menschen um ihre Ruhe, ihre Natur, ihr Trinkwasser. Selbst im stoischsten aller Bundesländer ist die Angst vorm Klimawandel angekommen – und sei es auch nur wegen der letzten heißen, trockenen Sommer, die viel Schaden angerichtet haben in der ohnehin dürren Sandbüchse Mark Brandenburg.

Die Fabrik wird zum Teil in einem Wasserschutzgebiet stehen. Trotzdem hat die örtliche Wasserbehörde Tesla am Abend vor der Erörterung durchgewunken. Noch im Juli hatte ein Verbandsvorsteher vor zu wenig Trinkwasser für den Ausbau gewarnt. Und abgesehen davon: Was helfen Elektroautos, wenn man sie mit Atomstrom füttert und anderswo bei der Rohstoffgewinnung für die Batterien ganze Landstriche zerstört? Bis jetzt steht Tesla eher für eine Wette auf die Zukunft. Und nicht, wie manche meinen, für die Zukunft selbst.

Insgesamt dreimal wird die Erörterung am Mittwoch unterbrochen. Diskussionsleiter Ulrich Stock vom Brandenburger Landesamt für Umwelt wiegelt immer wieder Argumente als „nicht verfahrensrelevant“ ab. Er droht, Rednerinnen das Mikro abzustellen. Es hagelt insgesamt drei Befangenheitsanträge. Am Donnerstag heißt es dann gleich noch einmal, Stock sei nicht neutral. Das blöde Gefühl der sogenannten Einwender, um Beteiligung gebeten worden zu sein, obwohl „die da oben“ schon längst alles entschieden zu haben scheinen: auch das hat seine Berechtigung. Stock ist nicht der erste, der schon vor der Erörterung gesagt hat, es seien „keine grundsätzlichen Genehmigungshindernisse zu erkennen“. Wahrscheinlich wäre es selbst einer hoch pokernden Firma wie Tesla zu riskant gewesen, einfach drauflos zu bauen, wenn sie ernsthaft mit einem Rückbau bei Nichtgenehmigung zu rechnen hätte. Susanne Messmer

Bis jetzt steht Tesla eher für eine Wette auf die Zukunft. Und nicht,
wie manche meinen, für die Zukunft selbst

Susanne Messmer über die Anhörung der Einwände von Tesla-Kritiker*innen