meinungsstark
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Asylplan der ­EU-Kommissionschefin

„Tempo und Härte“, taz vom 24. 9. 20

Als Europäerin schäme ich mich zutiefst. Da leben Menschen in Provisorien, auf der Straße, unter unwürdigen Bedingungen, ohne Zugang zu Sanitäeinrichtungen, ohne regelmäßige Mahlzeiten und Zugang zu frischem Wasser, und das EU Parlament ist nicht in der Lage, solidarisch, empathisch und vor allem menschlich zu agieren? Da wird taktiert und der Tod von Hilfe suchenden Menschen billigend in Kauf genommen. Alle Länder, die nicht bereit sind sich mit den Mittelmeeranrainern solidarisch zu zeigen, die sich abschotten und die Werte der Gemeinschaft mit Füßen treten, sollen doch bitte die EU schnellstmöglich wieder verlassen und nicht mit Abschiebepatenschaften „belohnt“ werden. Jedes Land, das sich unsolidarisch zeigt, gehört sanktioniert, und zwar an Stellen, wo es richtig wehtut. Fangen wir mit dem Geld an. Für Sanktionen sollte das Einstimmigkeitsprinzip im EU-Parlament nicht mehr gelten, sondern eine einfache Mehrheit genügen. Dieses aufgeblasene EU-Konstrukt verwaltet sich doch nur noch selbst, ohne wesentliche Entscheidungen zu treffen oder Lösungsansätze zu erarbeiten. Ich würde den EU-Parlamentariern mal eine Nacht auf Lesbos unter freiem Himmel empfehlen, um den Enscheidungsprozess voranzubringen. KEIN MENSCH IST ILLEGAL

Tanja Hiort, Seevetal

Abschiebepaten

„Unwort des Jahres“, taz vom 25. 9. 20

Zynismus breitet sich aus in der SDE (Sprache des demokratischen Europa). Wer auch immer unter den Kommunikationsfachleuten in Brüssel das Wort „Abschiebepaten“ erfunden hat, er/sie sollte entlassen werden. Der/die politisch dafür Verantwortlichen sollten zurücktreten. Jede/r, der/die sich irgendwo als Pate/in versteht, müsste laut protestieren. In der deutschen Amtssprache wird beschönigend von „Ausreisepflichtigen“ gesprochen. Ich habe recherchiert: Das Wort „Ausreisepaten“ gibt es schon. Es wird verwendet für die Verteilung von Hunden innerhalb Europas. Sonst hätte es vielleicht Verwendung gefunden für die gewaltsame Abschiebung von Menschen nach außerhalb Europas. Was mir vor Augen geführt hat, dass es leicht ist, Hunde, die z. B. in Bosnien auf der Straße leben, in ein europäisches Land zu bringen. Wohingegen Menschen, die dort auf der Straße leben, keine Chance haben, weder nach Deutschland noch nach Europa gebracht zu werden. Verhindern wir den neuen Sprachgebrauch und die geplante Praxis!

Lies Welker, Mainz

NRW: Polizeiaffäre um rechte Chats

„Das Ende noch nicht erreicht“

taz vom 24. 9. 20

Dass erst eine E-Mail von Innenminister Reul an seine 56.000 Beamt*innen mit der Aufforderung, „strafrechtlich Relavantes“ zu melden, notwendig ist, ist der Knaller! Ein(e) vereidigte(r) Polizeibeamt*in ist ohne Aufforderung jederzeit dazu verpflichtet! Dass erst nach dieser Mail Meldungen eingehen, zeigt, wie wenig Rückhalt diese Beamt*innen im Polizeiapparat haben und wie tief das Problem sitzt. Auffallend auch, wie sich alle andern Innenminister zurückhalten. Mein Vater, ehemaliger Polizeibeamter in Bayern, hat wenig vom Dienst gesprochen, aber seine Klientel schon mal gern auf die fränkisch Derbe als „Gschwartel und Gesocks“ bezeichnet. Dieser Umgangston und dieses Aufbauen von Feindbildern mit einem „Wir, die Guten hier“ und „Ihr, die Bösen dort“ sind die Grundlage für die Auswüchse, die dann irgendwann womöglich bis weit ins Rechtsradikale gehen. Aufgrund dessen kann man sagen, dass die 104 Fälle in NRW nur die Spitze des Eisberges sind. Vorschub, kein Unrechtsbwusstsein aufkommen zu lassen, leistet da auch gern unser derzeitiger Bundesinnenminiser Horst Seehofer (CSU) mit seinem Verhalten und seinen Sprüchen a là „Bis zur letzten Patrone“.

Karsten Neumann, Nürnberg