Linksextremismus, Logik und Streiks: Geschwulst des Katholizismus

Baden-Württemberg hat ein komisches Bild von linker Gewalt. Bei Corona und Trump sollte man dem Schlimmsten vertrauen.

Richterin Amy Coney Barrett steht vor einer US-Flagge

Trumps Auserwählte für den Supreme Court: Richterin Amy Coney Barrett Foto: Carlos Barria/Reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Das Spiel „Schwarzer Peter“ ist samt dem fragwürdigen Namen zu Recht aus der Mode.

Und was wird besser in dieser?

Heute werden die Kandidaten fürs Atommüll-Endlager bekannt gegeben. Dringend neuer Metaphern-Bedarf.

Am Freitag fand der globale Klimastreik statt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier drückte Fridays for Future die Daumen, dass ihre Anliegen gehört werden. Wäre zuhören nicht seine Aufgabe?

Besser nicht: „Das Problem bei der Klimakrise ist: Politische Kompromisse funktionieren nicht“, sagt FFF-Gründerin Reemtsma. Ende Verstände, da kann Altmaier seinen Laden zumachen und zum Diktat bei Greta antreten. Apodiktische Forderungen funktionieren prima, 40 Jahre später sind dann vielleicht eine handvoll AKWs endlich abgeschaltet. Altmeier onkelt Verständnis, meidet nach Corona-Schulausfall seine frühere Kritik am Streik. Hisst aber dann wieder den schmierigen Lappen „Wohlstand mit Klimaschutz verbinden“. Also: FFF verweigert Kompromisse, das Establishment fragt nach dem Geschäftsmodell. Man kann es auch zusammen vergeigen.

Die verstorbene Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg soll noch vor den Wahlen ersetzt werden. Kommt Trump damit durch?

Trumps Auserwählte Amy Coney Barrett ist 48, Juristin, Mutter von sieben und hängt einem fundamentalistischen Geschwulst des Katholizismus an. Letzteres hat wahrscheinlich Frauke Petry den Job erspart. Trump kommt durch – mit dem Signal an Abtreibungsgegner, Obamacare-Hasser und Freunde des geschredderten Anstands. Denn ob sie es wird oder nicht – wumpe, der Wahlkampftreffer sitzt schon mal.

Laut dem innenpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Thomas Blenke hat die linke Gewalt in Baden-Württemberg stark zugenommen. Es sei dringend notwendig, das besser zu beobachten. Versucht da jemand von einem (r)echten Problem abzulenken?

Blenkes Chef, Innenminister Strobl, verbrachte 750 Worte mit Rechtsextremismus, als er den Verfassungsschutzbericht vorstellte. Dann erst kam er zu einem knappen Absatz über Linke: Deren Zahl habe zugenommen. Als „Gewalttaten“ wurden hier „Beschädigungen und Farbschmiererei an Wahlplakaten“ mitgezählt. Nun ist es eine bekannte Freizeitbeschäftigung der Wehleidigenguerilla AfD, beim Verdacht auf Eigenbürzelbeschädigung Interpol anzurufen. Sprich: Wenn man Blenke sehr wohlwill, hat er sich von der AfD vorführen lassen. Man muss ihm aber nicht sehr wohlwollen. – So, nun noch 100 Euro auf folgende Wette: Da Strobls Gattin nun ARD-Vorsitzende ist, wird die AfD bei solchen Themen vom „Staatsfunk“-Jubeln gar nicht mehr runterkommen.

In Deutschland steigt die Zahl der Corona-Infizierten, in anderen europäischen Ländern ist die Lage sogar schlimmer als zum Pandemiehöhepunkt im Frühjahr. Wer ist schuld: Partypeople, Urlauber oder Maskenmuffel?

Die Logik. Solange sächsische Gesundheitsämter 9,8 Kontaktpersonen pro Infiziertem aufspüren – und etwa Bayern nur 1,7 –, ist von „belastbaren Zahlen“ nicht zu sprechen. Man kann nur den schlimmsten vertrauen und sich hinterher freuen, nicht verharmlost zu haben. Der Trend scheint, dass es mit dem Freuen noch etwas hin ist.

Die Streiks im öffentlichen Dienst sollen diese Woche ausgeweitet werden. Viele finden Arbeiterkämpfe in einer Pandemie unsolidarisch. Sie auch?

Ja, man sollte grundsätzlich die Arbeitgeber fragen, wann eine gute Zeit zum Streiken sei. Selbst das hatte Verdi gemacht und eine Verschiebung um ein halbes Jahr angeboten – gegen Schutzgeldzahlung an die Belegschaften. Zeitpunkt und Taktlosigkeit kann man also den Arbeitgebern zurechnen. Echte – nicht Warnstreiks – drohen erst nach der Friedenspflicht. Dann also zu Weihnachten.

Das neue Asylpaket der EU sieht unter anderem „Rückführungspatenschaften“ vor. Wird hier Solidarität ganz neu definiert?

Das geht an Ungarn und Polen, die halt wenigstens irgendwas mit Migration machen sollen – rausschmeißen etwa. Kern des „Pakets“ ist jedoch, Asylverfahren in fünf Tagen abzuschließen – oder in einem noch kürzeren „Schnellverfahren“, nach Aktenlage. Kirmesschlägerkompetenzen sinnvoll einzusetzen mag therapeutisches Aroma verbreiten – doch wenn die Rausschmeißerländer ihre Opfer nicht schnell genug loswerden, sollen sie die Menschen aufnehmen müssen. Oberhalb von „Zynismus“ fehlt hier ein Wort.

Und was machen die Borussen?

Die Dortmunder Grünen haben zur Stichwahl des CDU-Kandidaten aufgerufen. Der BVB solidarisiert sich mit der SPD und verliert pampenträge gegen einen vermeintlich schwachen Gegner.

Fragen: Philipp Rhensius, Carolina Schwarz

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