Kommentar von Annika Rittmann über mangelhaften Klimaschutz
: Sozialdemokratische Erinnerungslücke

Gut 100 Tage ist der neue Senat im Amt. Im Wahlkampf hatten SPD und Grüne groß angekündigt, das Klima schützen zu wollen. Jetzt wirkt es so, als hätten vor allem die Sozialdemokraten ihre Phrasen aus dem Winter vergessen. Diese 100 Tage können nicht ohne Verweis auf Corona bilanziert werden. Dennoch zeigt sich, dass in Hamburg vor allem Klimarhetorik regiert – und nicht echtes Klimabewusstsein, dem Taten folgen. In 100 Tagen hat der Senat keinen Willen gezeigt, konsequenten Klimaschutz anzupacken.

Der Klimaplan, den Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gerne in den Himmel lobt, enthält weder einen Plan um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten noch einen zur Umsetzung der eher mauen Maßnahmen. Was der rot-grüne Senat in der letzten Amtszeit voller Stolz präsentiert hat, bedeutete schon damals eine Abkehr vom Pariser Abkommen. Immer wieder hat sich der Senat gewunden, Klimaziele angepasst und Versprechen missachtet. Hamburg muss bis 2035 klimaneutral werden und sein CO2-Budget respektieren, sämtliches Zögern ist fehl am Platz.

Nach 100 Tagen Amtszeit ist kein Wort mehr zum Klima zu hören, Tschentscher profiliert sich als Coronabekämpfer, aber uns junge Menschen lässt er im Stich. Für die Hamburger*innen war Klimaschutz im Februar laut Erhebungen das wichtigste Wahlkriterium. Dem Senat ist das offenbar egal. Vor allem aus der Finanzbehörde kommt Hilfspaket nach Hilfspaket für die Wirtschaft, insbesondere für große Unternehmen. Dass Finanzsenator Dressel (SPD) auch dafür ernannt wurde, Klimaschutz zu finanzieren, hat (oder will) er wohl vergessen.

Jetzt stehen die wichtigen Haushaltsverhandlungen an. Hamburg sehnt sich schon lange nach einer Vorreiterrolle, jetzt muss die Stadt sie endlich einnehmen. Wer vor der Wahl versprochen hat, Steuergelder in Klimaschutz zu investieren, muss jetzt liefern. Konsequent, eindeutig und effektiv.

Auch die Grünen sind hierbei gefragt. Wer den Anspruch hat, das Klima schützen zu wollen, darf sich nicht hinter dem Koalitionspartner verstecken. Die Zeit der unökonomischen und -ökologischen Entscheidungen muss aufhören. Klimaschutz muss in Hamburg wieder ein Machtwort werden, das auch in Pandemiezeiten keinen Millimeter an Wichtigkeit verlieren darf. Der Senat kennt die Fakten, Herr Tschentscher kennt die Dringlichkeit und auch Herr Dressel weiß, welche finanziellen Möglichkeiten es in Hamburg gibt. Wenn nicht entsprechend gehandelt wird, wäre das fahrlässig und bewusste Blockadehaltung. Denn: Wenn Klimaschutz nicht in Hamburg beginnt, wo dann?

Annika, 18, beginnt im Oktober ihr Studium der Mensch-Computer-Interaktion.