Naturschutz contra Menschenrechte

UN-Pläne zum Schutz der Biodiversität könnten fatale Folgen haben, warnen NGOs und Expert*innen

Von Andrew Müller

300 Millionen Menschen könnten im Namen des internationalen Naturschutzes aus ihrer Heimat vertrieben werden. Das ist die eindringliche Warnung, die 128 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen und Expert*innen in einem am 1. September veröffentlichten Brief an die UN-Biodiversitätskonvention (CBD) formulieren. Stephen Corry von der maßgeblich beteiligten NGO Survival International sieht in deren Agenda „eine gigantische Landnahme, vergleichbar mit der europäischen Kolonialisierung“.

Konkret geht es dabei um den vor Kurzem noch einmal überarbeiteten Entwurf für ein neues CBD-Abkommen, bis 2030 30 Prozent der Erdoberfläche zu Naturschutzgebieten zu erklären, vor allem artenreiche Regionen. Dieses „30 x 30“-Ziel würde eine Verdoppelung der derzeit geschützten Landfläche innerhalb eines Jahrzehnts bedeuten. In den Ohren vieler klingt das eigentlich sehr gut. Auch thematisiert der Entwurf explizit die Rechte Indigener und die umfassende Teilhabe lokaler Gemeinschaften bei der Umsetzung des geplanten Abkommens.

Den Unterzeichner*innen des Briefs aber geht das nicht weit genug. Sie verweisen auf militarisierten „Festungsnaturschutz“, der etwa im Kongobecken und Südasien zunehme. Sie wollen die Rechte indigener und lokaler Gruppen wesentlich besser geschützt wissen. Außerdem solle jeder weiteren Naturschut­z-ausweitung eine unabhängige Überprüfung von Wirksamkeit und sozialer Folgen vorangestellt werden.

Das Abkommen soll planmäßig auf dem weltweiten CBD-Gipfel im Mai 2021 beschlossen werden.