Tesla-Fabrik in Brandenburg: Mit Worten gegen das Ufo

Mehr als 400 Einwendungen sind gegen den Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide eingegangen. Seit Mittwoch werden sie in der Stadthalle Erkner diskutiert.

Menschen stehen vor der Stadthalle in Erkner

Warten auf Einlass: Tesla-Kritiker am Mittwoch vor der Stadthalle Erkner Foto: dpa

ERKNER/BERLIN taz | Vor dem Eingang der Stadthalle in Erker hat sich zwischen Würstchen- und Kaffeestand eine lange Schlange gebildet. Etwa 110 Menschen sind an diesem Mittwochmorgen in die Gemeinde am Stadtrand Berlins gekommen, alle sind sie Gegner der Tesla Gigafactory im nahen Grünheide. In der Halle sollen in den folgenden drei Tagen ihre Einwendungen gegen den in Rekordzeit zu errichtenden Bau diskutiert werden; dieser Erörterungstermin ist Teil des sogenannten Planfeststellungsverfahrens.

Die Stimmung ist maximal hitzig. Die meisten, die hier in der Schlange auf ihren Einlass warten und zu sprechen bereit sind, regen sich zunächst einmal darüber auf, dass die Erörterung wegen der Coronapandemie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet – nur die Presse darf in einem Zelt nebenan die Diskussion verfolgen. Viele fühlen sich außerdem verschaukelt, weil es Vorabgenehmigungen für den Tesla-Bau gab; schließlich, so die Begründung der Behörden in Brandenburg, sei die die endgültige Genehmigung noch in diesem Winter sehr wahrscheinlich.

Die Folge: Der Baufortschritt in Grünheide kommt sichtbar gut voran. Viele Bäume wurden gerodet, erste Betonklötze stehen schon da und stellen die Sinnhaftigkeit einer Bürgerbefragung zu diesem Zeitpunkt wie diese schwer in Frage.

Das Thema, gegen das die meisten hier ganz offiziell einen Einwand erhoben haben, ist ganz klar das Wasser. Auch, wenn am Dienstag dieser Woche der Wasserverband Strausberg-Erkner, der sich zunächst kritisch gezeigt hatte, dem Erschließungsvertrag für das Tesla-Gelände zugestimmt hat: Etwa zwei Drittel des von Tesla erworbenen Grundstücks liegen in einem so genannten Trinkwasserschutzgebiet, wie viele Menschen in der Schlage unermüdlich betonen. Die Fabrik allein wird etwa so viel Wasser verbrauchen wie eine 40.000-Einwohner-Stadt.

Viele kritisieren, dass die Fabrik in einem Trinkwasser-schutzgebiet liegt

Es ist nur einer von vielen Superlativen hier im märkischen Sand kurz vor den Toren Berlins. Erst Ende vergangenen Jahres war überhaupt bekannt geworden, dass der exzentrische amerikanische Autobauer in Brandenburg investieren will, und bereits ab Sommer kommenden Jahres sollen dort 500.000 der meist recht groß dimensionierten Elektroautos vom Band laufen. Gebaut werden sie von bis zu 12.000 Personen – wohlgemerkt in der ersten von drei weiteren Ausbaustufen, über die bislang wenig bekannt ist und die dann auch noch einmal neu genehmigt werden müssen.

Nicht alle der Tesla-MitarbeiterInnen werden nach Berlin oder Polen pendeln: Es werden sich Menschen rund um Grünheide ansiedeln, Häuser, Kitas, Schulen und Straßen gebaut und Flächen versiegelt werden. Die drohenden Veränderungen sind – bisweilen beängstigend – groß.

Mehr Bäume bedroht als bisher geplant

Dazu kommt: Eigentlich sollten die Einwände der BürgerInnen schon im Frühjahr gehört und besprochen werden. Doch dann kam Corona. Im Juli legte Tesla einen neuen Antrag mit leichten Änderungen vor, die vor allem das Design der Fabrik und neue Pfahlgründungen wegen des Sandbodens betrafen. Außerdem sollten nun insgesamt 190 Hektar Wald gefällt werden, 40 Hektar mehr als geplant. Bis 3. September wurden weitere Einwendungen gemacht, und nun hat das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) von den insgesamt 406 Einwendungen all jene ausgewählt, die, so Anhörungsleiter Ulrich Stock vom LfU, „für den Antragsgegenstand von Bedeutung sind“.

Endlich, gegen 11 Uhr, beginnt die Erörterung – nur um nach einer Stunde auch schon wieder unterbrochen zu werden. Der Vizechef der Naturfreunde Berlin, Uwe Hiksch, fordert die Ablösung von Versammlungsleiter Stock. Dieser habe den Medien bereits gesagt, wie das Ergebnis der Erörterung sein werde. Außerdem, so andere Tesla-Kritiker, werde das Protokoll von einer Firma angefertigt, die von Tesla und nicht etwa vom Land beauftragt wurde. Nach etwa 20 Minuten weist Stock den Befangenheitsantrag ab, die MitarbeiterInnen des LfU würden zudem die Tonaufnahmen mit dem Protokoll abgleichen.

Wieder kommen Einwände zum Verfahren selbst, es geht auf Mittag zu, und Stock merkt an, die Stadthalle sei nur für drei Tage reserviert. Die längste Erörterung, die er miterlebt habe, sei die um den Bau der Schweinemastanlage in Haßleben gewesen, die am Ende nicht genehmigt wurde. Damals dauerte die Erörterung elf Tage.

Blick auf die Rohbauten der Tesla-Fabrik

Ziemlich viel Beton: Tesla-Baustelle in Grünheide Mitte September Foto: dpa

Nach der Mittagspause und der Abweisung eines weiteren Befangenheitsantrages geht es endlich zur Sache. Tesla-Teammitglied Alexander Riederer setzt erst einmal einen kurzen Werbeblock zur Schönheit der zukünftigen Fabrik und Überarbeitung des Kühlungssystem ab. Letztere führe dazu, dass 30 Prozent weniger Wasser verbraucht werde als anfangs gedacht. Dann steht er mehr schlecht als recht Rede und Antwort.

Anders als im ersten Antrag aufgeführt, sei keine Batteriefertigung vorgesehen und auch keine Fertigung von Kunststoffteilen. Tiefbrunnen werden gebohrt, eine Teststrecke unter freiem Himmel, um „Quietsch- und Klappergeräusche“ ausfindig zu machen, sei leider unabdingbar – allerdings gehe von dieser kein Lärm für die AnwohnerInnen aus.

Leider kann Riederer weder wirklich viel über die Emissionen in der Lackiererei sagen noch über die von Tesla-Chef Elon Musk angekündigten Rave-Keller auf dem Gelände. Immer wieder reagieren die Tesla-Kritiker reichlich empört über die Art und Weise, in welcher Art und Weise Riederer über ihre Fragen hinweg geht.

Kurz vor Redaktionsschluss wird die Erörterung dann noch einmal unterbrochen: wegen eines weiteren Befangenheitsantrags. Und es ist ziemlich klar: Die beiden weiteren Tage zur Erörterung dürfte es brauchen, vielleicht auch noch mehr. Denn nach wie vor wirkt Tesla wie ein Ufo, das da in Brandenburg landen will. Der Clash der Kulturen, der daraus resultiert, hat gerade erst begonnen.

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