Spitzt schon mal die Bleistifte

Ende des Hinhaltens: Senat äußert sich zur Enteignungsinitiative. Noch fehlt das Parlament, dann werden Unterschriften gesammelt

Zugewandt, aber ablehnend: Ramona Pop Foto: Britta Pedersen/dpa

Von Bert Schulz

Eigentlich stehen einem erfolgreichen Enteignungsvolksbegehren seit Dienstag nur noch die BerlinerInnen entgegen. Der Senat hat seine mehr als ein Jahr dauernde Verzögerungstaktik endgültig beendet und eine Stellungnahme zu dem bundesweit einmaligen Anliegen ­abgegeben. Dies teilte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) nach der Senatssitzung mit. Nun kann sich das Abgeordnetenhaus mit dem Begehren beschäftigen – und da es dessen Ziele nicht annehmen wird, können die AktivistInnen von Deutsche Wohnen und Co enteignen voraussichtlich wie geplant im Frühjahr mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen. Sie brauchen rund 175.000.

Inhaltlich bringen die Äußerungen des Senats keinen Fortschritt. Zwar betont der Senat, das grundsätzliche Ziel der Initiatoren, den gemeinwirtschaftlichen Anteil am Wohnraumangebot zu erhöhen, zu unterstützen, zum Beispiel durch Ankäufe und Neubau. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass zur Umsetzung der von der Initiative geforderten Maßnahmen nach derzeitigem Stand mehr als 226.000 Wohnungen aus Privateigentum in öffentliches Eigentum zu überführen wären. Das wiederum sei ein Ziel, das sich nur durch ein politisch und juristisch umstrittenes Vergesellschaftungsgesetz erreichen lasse.

Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen setzt sich dafür ein, alle Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu vergesellschaften. Oppositionsparteien und Immobilienwirtschaft lehnen das ab, auch die SPD hatte sich dagegen ausgesprochen.

Ihr Innensenator Andreas Geisel hatte sich für die rechtliche Prüfung der Initiative mehr als 440 Tage Zeit gelassen, was selbst bei den mitregierenden Linken und Grünen auf scharfe Kritik gestoßen war. Erst vergangenen Donnerstag hatte er – nachdem die Initiative juristisch gegen die langsame Bearbeitung vorgegangen war – die Zulässigkeit anerkannt. Dem Landesparlament werde die Stellungnahme des Senats nun zugeleitet, sagte Pop.

„Wahre Wunder“

Die Initiative reagierte erfreut – und führte den Schritt des Senats nach vorn auch auf ihre Klage zurück: „Und plötzlich geht’s ganz schnell: Mit der heutigen Abstimmung im Senat ist der Weg für unser Volksbegehren frei. So ein Eilantrag wirkt wahre Wunder“, schrieb sie auf Twitter. Sie strebt einen Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl im September 2021 an. Dafür müsste sie im Frühjahr innerhalb von vier Monaten die notwendigen Unterschriften sammeln. Erfolgreich ist der Volksentscheid, wenn mindestens ein Viertel der Berliner Wahlberechtigten dafür stimmen und sie zugleich die Mehrheit bilden.

Die Linke lobte den Fortschritt. „Mit der Stellungnahme zum Volksbegehren ‚Deutsche Wohnen und Co. enteignen‘ ist endlich eine viel zu lange andauernde Hängepartie beendet“ worden, erklärte Carsten Schatz, einer der beiden Vorsitzenden der Linksfraktion.

Die Immobilienbranche reagierte mit den alten Phrasen auf den Schritt des Senats. „Nach wie vor gilt: Enteignung schafft nicht eine einzige zusätzliche Wohnung und kostet mit 28 Milliarden Euro Geld, das Berlin an anderer Stelle dringend braucht“, sagte Maren Kern, die Vorständin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Kritik kam vom Unternehmensverband Berlin Brandenburg. „Der Senat hätte sich klar und deutlich vom Volksbegehren distanzieren müssen“, so Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.