Das Führerprinzip greift noch nicht

Die AfD ist ein Jahr vor der Wahl vor allem mit sich selbst beschäftigt – und stagniert in Umfragen
trotz der gestürzten Bausenatorin. Vorzeigbare Gegenkandidaten zu Pazderski gibt es bislang nicht

Von Gareth Joswig

Die AfD 2020 klingt irgendwie ganz schön nach 2016. Wahlkampfthemen für die Abgeordnetenhauswahl in einem Jahr stünden noch nicht fest, heißt es auf Nachfrage von einem Parteisprecher, vermutlich aber irgendwas mit „innerer Sicherheit“ und „illegaler Masseneinwanderung“.

Während andere Parteien bereits in den Wahlkampfmodus schalten, ist die Berliner AfD mit sich selbst beschäftigt. Was will man auch von einer Partei erwarten, die seit über einem Jahr vergeblich versucht, einen Parteitag zu veranstalten? Und so ist ihr Bild derzeit von Fraktionsintrigen und öffentlichem Streit bestimmt.

Die Kandidatur für den Spitzenplatz zur Abgeordnetenhauswahl von Fraktionschef Georg Pazderski wurde von seinen Fraktionsfeinden mit dem Durchstechen eines Brandbriefes an nicht gerade befreundete Medien beantwortet. Darin war von der Gutsherrenart des pensionierten Bundeswehroberst zu lesen und von einer bis zur Arbeitsunfähigkeit zerrütteten Fraktion.

Ob der sich gern bürgerlich gebende Pazderski also genug Zustimmung für eine Kandidatur erhält, ist offen. Denn er ist bei vermeintlich gemäßigten AfDler:innen ebenso umstritten wie im nicht eben kleinen rechtsextremen „Flügel“-Lager. Aus Parteikreisen heißt es, eine Wiederwahl Pazderskis falle und stehe mit einer vorzeigbaren Gegenkandidatur. Problem nur: Es gebe kaum vorzeigbare Kandidat:innen.

Einige AfDler:innen sahen in der sich konservativ-liberalen gebenden Kristin Brinker eine geeignete Gegenspielerin zu Pazderski. Aus Parteikreisen ist aber auch zu hören, dass sie gar nicht in die erste Reihe wolle. Dazu dürfte auch der Kleinkrieg hinter den Kulissen beigetragen haben: Brinkers Kritik an Pazderskis Führungsstil und dessen offenbar undurchsichtigen Fraktionsfinanzen ist mittlerweile in einen Rechtsstreit ausgeartet.

Rücktritt nach Rücktritt

Dieser Streit überschattet den bislang größten Erfolg der AfD als Oppositionspartei: Die parlamentarische Anfrage der als finanzpolitische Sprecherin fungierenden Brinker zu den Nebeneinkünften der Senatsmitglieder hatte zum Rücktritt der linken Bausenatorin Katrin Lompscher geführt. Nicht zuletzt damit qualifizierte Brinker sich für einige AfDler:innen zur geeigneten Gegenspielerin Georg Pazderskis.

Wie viel Kapital die AfD aus dem Sturz Lompschers bei Wähler:innen schlagen kann, ist aber völlig offen: Denn bezeichnenderweise trat Brinker selbst nur zehn Tage später von ihrem Amt als Vize-Fraktionsvorsitzende zurück.

Eine Antwort auf den Machtkampf in der AfD wird es frühestens im Oktober geben. Denn dann soll endlich ein Landesparteitag stattfinden, der neben der überfälligen Neuwahl des behelfsmäßigen Notvorstands auch die Frage nach dem Spitzenpersonal für den Wahlkampf klären soll.

Das Einzige, was bei der AfD bis dahin kontinuierlich läuft, ist das Anheizen ihres Facebook-Mobs. Dort regnet es rassistische Wut-Emojis, wenn sich die rechte Partei über das rot-rot-grüne Berlin („verkehrspolitisches Umerziehungslager“, „Dealer-Paradies Görli“) aufregt oder einzelne Politiker:innen an den Pranger stellt.

In Wählerstimmen bildet sich das aber offenbar bislang nicht ab: In Umfragen stagniert die AfD in Berlin bei 10 bis 12 Prozent.