Bund-Länder-Gipfel zu Coronamaßnahmen: Verbrauchte Gemeinsamkeiten
Stundenlang ringen die Regierungschefs der Länder mit der Kanzlerin über gemeinsame Wege in der Coronakrise. Es ist kompliziert geworden.
Berlin taz | Es war ein zähes Ringen. Eigentlich wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs von Bayern und Hamburg, Markus Söder (CSU) und Peter Tschentscher (SPD), bereits am Donnerstagmittag im Bundeskanzleramt die Ergebnisse der Bund-Länder-Videokonferenz präsentieren. Doch ihr Termin verschob sich Stunde um Stunde. Am späten Nachmittag war es dann endlich soweit. „Das war eine sehr, sehr intensive Diskussion heute“, stöhnte Söder. Er bewundere die Geduld Merkels. Es ist schwer geworden, einen gemeinsamen Umgang mit der Coronakrise zu finden.
Immerhin haben sich fast alle Länder mit dem Bund auf den Vorschlag Merkels auf eine Bußgelduntergrenze bei Verstößen gegen die Maskenpflicht verständigen können. Mindestens 50 Euro soll die Missachtung der vorgeschriebenen Verwendung eines Mund-Nasen-Schutzes künftig kosten – außer in Sachsen-Anhalt. „Sachsen-Anhalt wird kein Bußgeld für Verstöße gegen die Maskenpflicht einführen.“, gab Ministerpräsident Reiner Haseloff zu Protokoll.
Geeinigt haben sich die Ministerpräsident:innen mit der Kanzlerin, dass Reiserückkehrer:innen aus Risikogebieten ihre verpflichtende vierzehntätige Coronaquarantäne frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag beenden dürfen. Das soll ab dem 1. Oktober gelten. Zudem soll die Quarantäne schärfer kontrolliert werden. Wörtlich heißt es in dem Bund-Länder-Beschluss dazu: „Die Länder werden dafür Sorge tragen, dass die Kontrolle Quarantänepflichten vor Ort intensiv wahrgenommen wird und bei Pflichtverstößen empfindliche Bußgelder verhängt werden.“
Um Trips in Risikogebiete zu minimieren, kündigte Merkel eine Gesetzesänderung an, mit der man ausschließen will, dass Rückkehrer:innen von einer „vermeidbaren Reise“ für die Zeit der Pflichtquarantäne einen Verdienstausfall gezahlt bekommen.
Keine Großveranstaltungen bis Ende 2020
Kostenlose Coronatests für Einreisende aus Nichtrisikogebieten sollen mit dem 15. September entfallen – außer in Bayern. Söder will an seinem Angebot für kostenlose Tests an Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen festhalten. „Wir glauben, dass das ein wichtiges Serviceangebot des Staates ist“, sagte er.
In einem im Vorfeld hochumstrittenen Punkt gab es doch noch eine Verständigung: Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich sind, sollen bis mindestens Ende Dezember 2020 nicht stattfinden dürfen. Für die Durchführung von bundesweiten Sportveranstaltungen wie Fußballbundesligaspielen soll allerdings eine Arbeitsgruppe bis zum 31. Oktober Vorschläge erarbeiten, wie eine Zuschauer:innenbeteiligung ermöglicht werden kann.
Hingegen gab es – anders als von Merkel gewünscht – keine Einigung auf bundesweit geltende Obergrenzen für Teilnehmer:innenzahlen bei den ebenfalls umstrittenen Feierlichkeiten im Familien- und Freundeskreis. Hier hätten die Länder „sehr unterschiedliche Vorstellungen“ gehabt, „die man am heutigen Tag nicht zusammenbringen konnte“, sagte Merkel.
So bleibt nur ein Appell: „Alle Bürgerinnen und Bürger werden daher gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen, ob, wie und in welchem Umfang private Feierlichkeiten notwendig und mit Blick auf das Infektionsgeschehen vertretbar sind.“
Leser*innenkommentare
Reinhardt Gutsche
Schlingerkurs zwischen Supression oder Mitigation
„Als Ende Dezember über die ersten Coronavirusinfektionen in China berichtet wurde, war kaum absehbar, dass sich aus diesem Krankheitsausbruch eine weltweite Pandemie entwickeln würde. Anfangs glaubte man noch, dass sich die Ausbreitung des SARS-CoV-2 durch Isolierung der Erkrankten und Quarantänemaßnahmen für Verdachtsfälle stoppen lassen könne. Inzwischen ist klar, dass sich das Virus trotz aller drastischen Maßnahmen weltweit verbreiten wird. Die Frage, die sich angesichts der heutigen Situation vordringlich stellt, ist daher nicht die Frage, wie wir das Virus eliminieren können, sondern wie es gelingt, daß es möglichst wenig Schaden anrichtet.“ (Deutsches Netzwerk Evidenz-basierte Medizin)
Dies sieht Prof. Johan Giesecke, der Nestor der schwedischen Epidemiologie und WHO-Berater, ähnlich. Auf die Frage, ob „der Kampf gegen die Ausbreitung des Virus hoffnungslos verloren“ sei, lautet seine Antwort: „Ja. Dieses Virus wird sich ausbreiten. Es spielt kaum eine Rolle, was die Länder tun.“ Die einzig wirksamen Eindämmugsmaßnahmen mit wissenschaftlicher Evidenz seien s. E. die klassischen elementaren Hygiene-Regeln Händewaschen und seinen Mitmenschen nicht zu nah auf die Pelle rücken.
Demnach wäre alles andere für die Katz, ob Lockdown, Schulschließungen oder Maskenball. Statt der (ohnehin illusorischen) Suppression-Strategie steht jetzt erst recht die Mitigation-Strategie à la Schweden an der Tagesordnung.
Gerdi Franke
Diese Profilierungssucht der Länderchefs führt doch nicht weiter. Unterschiedliche Regeln führen zu Verwirrung und die Akzeptanz sinkt. Was nutzen diese vielen und sehr teuren Tests wenn die Gesundheitsämter die Ergebnisse nicht weitergeben und nachverfolgen!
Picard
Was die Seuche Politik anrichtet, mindestens genauso gut wie weltweite Corona Pandemie Spreader. Söder bewundert die Geduld Merkels zu Recht, damit sticht die Kanzlerin angenehm positiv hervor. Was wir jetzt brauchen ist Mut und Spucke, anpacken bei den Zukunftsaufgaben.
Monika Frommel
Zwangstests, 14 Tage Quarantäne (immerhin bis 1. Oktober) und überraschend vergrößerte "Risikogebiete". das ist stark! Eilanträge gegen das Zwnagstesten hat Karlsruhe zurückgewiesen.
Ingo Bernable
@Monika Frommel Ja, Zwangstest, so ähnlich wie der Zwangsführerschein oder der Zwang Arbeitsschutzbestimmungen einzuhalten. Dass der Gesetzgeber Gesetze macht die ggf. auch Verbote und Einschränkungen beinhalten ist kein Skandal, sondern - auch außerhalb von Pandemien - notwendig zum Schutz der Allgemeinheit. Meiden sie den Aufenthalt in Risikogebieten, dann sind sie auch nicht genötig ihren Rachen dem Zugriff der Staatsmacht auszuliefern.
Falls es bei ihnen noch nicht angekommen ist: seit gut einem Monat steigen die Fallzahlen wieder und da muss man gegensteuern bevor die Entwicklung wieder anfängt exponentiell zu verlaufen.