Flieger, zeig mir die Zukunft

Der Bremer Flugschule der Lufthansa droht die Schließung. Schüler:innen fürchten einen Abbruch ihrer Ausbildung

Die gute alte Zeit: 1997 (Bild) schienen die Möglichkeiten bei der Pilotenschule in Bremen noch grenzenlos zu sein Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Teresa Wolny

Die Luftfahrtbrache steckt in der Krise. Für das Klima ist das gut, für den Pilot:innennachwuchs in Bremen nicht. Bis Ende des Jahres wurden die Kurse für angehende Lufthansa-Pilot:innen an der Bremer Verkehrsfliegerschule, der European Flight Academy (EFA), auf Eis gelegt. Ob sie im Januar wieder im Cockpit sitzen oder ihren Traum vom Fliegen komplett begraben müssen, wissen die Schüler:innen nicht.

Der Frust sitzt entsprechend tief. Marcel Schulz*, Ende 20 und Schüler der EFA, versteht die Pandemie-bedingten Verzögerungen. „Jetzt steht aber im Raum, dass viele Jahre schlicht umsonst waren“. Sein Mitschüler Sebastian Fricke* kritisiert die Kommunikation des Unternehmens. „Erst sollte es im April wieder beginnen, dann im September, und jetzt ist die Ausbildung bis Ende des Jahres ausgesetzt.“ Ob es danach überhaupt weitergeht, weiß derzeit niemand. Beide wollen aus Sorge vor Konsequenzen nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden.

Ein Sprecher der Lufthansa betont, dass „mit Hochdruck“ an verschiedenen Optionen für die Zukunft der EFA-Flugschulen gearbeitet werde. Man verstehe, dass sich Schüler:innen Sorgen machten, Unternehmensentscheidungen brauchten­ aber ausreichend Zeit. In internen Managementkreisen heißt es laut Aussage der Vereinigung Cockpit (VC) allerdings, dass wohl vieles dafür spreche, die Schule zu schließen: Der Lufthansa sei die teure Ausbildung in Bremen wohl ohnehin ein Dorn im Auge.

Die Flugschule in Bremen hat einen guten Ruf; auch ausländische Airlines lassen hier ausbilden. Für viele Flugschüler:innen ist die Ausbildung ein hart erarbeiteter Traum. In Bremen ist sie auch deshalb so attraktiv, weil – so das Versprechen – am Ende kein Prekariat bei Billigfluggesellschaften, sondern ein sicherer Job im Lufthansa-Cockpit winkt. Auf Lufthansa-Stellen haben Absolvent:innen der eigenen Schule Vorrang. „Für mich war die Airline-Flugschule der einzig denkbare Weg, Pilot zu werden“, sagt Schulz, der sich mitten in der zweijährigen Ausbildung befindet.

Diese kostet rund 80.000 Euro. Vorgesehen ist, dass die Ausbildungskosten erst bei einem Lufthansa-Job zurück gezahlt werden müssen. Bis vor ein paar Monaten schien so ein Job sicher. Als „High Life“ bezeichnet Schulz den Anfang seiner Ausbildung, als mit hohem Personalbedarf bei der Lufthansa und rasantem Wachstum bei anderen Airlines der Gruppe geworben wurde. „Das Hauptargument war, dass die Babyboomer­ bald in Rente gehen und viele Leute allein schon für die Aufrechterhaltung der Flotte gebraucht würden“, erzählt Schulz.

Von 500 neuen Lufthansa-Pilot:innen pro Jahr sei die Rede gewesen. Nun gibt es laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der selbst in Bremen das Fliegen gelernt hat, 800 Pilot:innen zu viel.

Ob die Schule wirklich schließt, könnte letztlich aber von einer Entscheidung der Bundeswehr abhängen. Denn diese lässt ihre Transportpilot:innen an der EFA ausbilden – ein wichtiges finanzielles Standbein der Schule. Der Vertrag zwischen Bundeswehr und Schule läuft jedoch Ende des Jahres aus und wurde bisher nicht verlängert.

Der Lufthansa sei die teure Ausbildung wohl ohnehin ein Dorn im Auge, heißt es von Insidern

In der Vereinigung Cockpit wird befürchtet, dass die Bundeswehr die Ausbildung von Transportpilot:innen zukünftig an die Flugschule nach Rostock-­Laage verlegt, die, anders als Bremen,­ nicht tarifiert ist. „Wenn die Bundeswehr dagegen in Bremen bleibt, hätte die Lufthansa ein Argument weniger, die Schule zu schließen“, sagt Janis Schmitt, Sprecher bei der VC.

Vonseiten der VC heißt es, dass bei der Lufthansa intern durchaus davon die Rede sei, die Verträge der Schüler:innen, die nicht unmittelbar vor Abschluss der Ausbildung stünden, einfach zu kündigen. Sollte ein Gericht entscheiden, dass das nicht möglich ist, könnte den werdenden Pilot:innen stattdessen eine Ausbildung an einer externen Schule angeboten werden. Keine Traumlösung: Ihren Vorrang auf eine Anstellung bei der Lufthansa könnten die Schüler:innen mit der Verlegung verlieren. Während der Krise, in der auch erfahrene Pilot:innen arbeitslos geworden sind, würde es damit doppelt schwer, einen Job zu finden.

Schulz und Fricke wollen das Cockpit noch nicht aufgeben. Auch unter ihren Mitschüler:innen kennen sie niemanden, der oder die umsatteln will, obwohl die Lufthansa dazu ermutigt. Sie fühlen sich von der Airline im Stich gelassen. „Ich verstehe nicht, wie man mit Potenzial in dem Unternehmen so schlecht umgeht und unsere Motivation so mit Füßen tritt“, sagt Fricke.

*Namen von der Redaktion geändert