Jan-Paul Koopmann über die Doppelausstellung „Uncanny Valley“
: Aus der Leere zwischen den Bildern

Mager sind Kinki Texas‘ Figuren und ihre Waffen dienen eher als Accessoires - hier exemplarisch: „John Chissum as a good herder“ Foto: Galerie Kramer

Schön sind sie bestimmt nicht, diese Zeichnungen von Kinki Texas. Im Gegenteil treten einem seine Cowboys und Krieger mit ihren grotesk entstellten Fratzen sogar ausnehmend hässlich entgegen: Grinsende Schädel, unproportionierte Gliedmaßen, bestienhaft aus ihrer Fleischwäsche glotzende Reittiere und Waffen aller Art. Wobei die Figuren offenbar – die erste von vielen Irritationen – nicht so recht etwas damit anzufangen wissen.

„Uncanny Valley“ heißt die Ausstellung, die Kinki Texas derzeit gemeinsam mit Jub Mönster in der Galerie Kramer bestreitet. Und unheimlich geht es dort in der Tat zu. Obwohl die Figuren einem irgendwie bekannt vorkommen, zeigen visuelle Genrekünste des Horrors wie Film oder Comic solche Wesen eher nicht. Die Bildsprache ist eine dezidiert unbewegte aus der Nähe der Gruselmedien: jene der Filmplakate und der Cover.

In der Galerie Kramer hängen sie nun aber als Kunst, nicht als Pop. Galeristin Elke Kramer betont die durchweg männliche Besetzung der Monsterparade und ihre Arbeit am Stereotyp. Cowboys eben. Doch die Männerpose ist brüchig. Mit der martialischen Bewaffnung wedeln sie wie mit schmückenden Accessoires herum. Ihre dürren Körper wirken zerbrechlich, manche tragen gar Korsett und sind mit ihren Pferden verwachsen. Unverwundbare Mannmaschinen sind das nicht. Irgendeine Gewalt hat sie schon vor langer Zeit durch den Wolf gedreht. Untote Zeugnisse einer Welt, die es mit niemandem gut meint.

Nichts davon lässt sich auf die nebenan hängenden Arbeiten von Jub Mönster übertragen; die Spannweite der Doppelausstellung ist extrem. Tatsächlich hat das kuratorische Konzept mit Ästhetik nicht unmittelbar zu tun. Es geht in der Reihe darum, je zwei miteinander befreundete Künstler gemeinsam auszustellen. Nach Beziehungen im Werk zu suchen,ist Sache des Publikums und etwas, dass man tun oder auch lassen kann.

Mönster ist in Bremen am bekanntesten wohl für seine Wandmalereien, etwa die schattenwerfenden Fußgänger, die eine Hauswand am Dobben füllen. In „Uncanny Valley“ arbeitet er nun mit Kugelschreiberzeichnungen Filmstandbilder nach. Eine Serie von neun Bildern zeigt etwa die Schlüsselszene aus Michelangelo Antonionis „Blow Up“ von 1966, in der ein Fotograf bemerkt, dass er möglicherweise einen Mord aufgenommen hat.

Und während Jub Mönster diese Bilder nun in winzigen Kugelschreiberkreisen nachzeichnet, beweist er nicht nur ein beachtliches Gespür für Fläche, Tiefe und Lichtverhältnisse – sondern fügt dem bereits bei Antonioni verschachtelten Nebeneinander von Film und Foto noch die Ebene seines eigenen Schaffens hinzu. Alle drei (Mönster, Kinki, Antonioni) machen eine unbewegte Momentaufnahme zum Thema, die auf einen unsichtbaren Schockmoment ganz in der Nähe verweist. Klassische Thrillererzählweise im Grunde, nur eben an den Grenzen oder weit jenseits des Mediums Film.

Diese cineastische Perspektive auf Zeichnung als Ergebnis der Künstler-Konfrontation im „Uncanny Valley“ ist mindestens eine interessante Spur – und macht neugierig auf die folgenden Doppelausstellungen Galerie. Das ist alles höchst erfreulich, auch wenn Kinki Texas' Kreaturen auch auf den zweiten Blick nicht wirklich schöner geworden sind.

Uncanny Valley: Bis 27. 9., Galerie Kramer