Chronik eines angekündigten Todes

Die NDR-Reihe „Sportclub Story“ erinnert an den Rennfahrer Jochen Rindt. Der erste Popstar des Motorsports verunglückte im September 1970

Unfälle waren in seinem Sport die Regel: Jochen Rindt am Steuer Foto: Bildagentur Ferdi Krähling/NDR

Von Wilfried Hippen

Es ist ein Jubiläum, das niemand feiern wird: Beinahe genau vor 50 Jahren, am 5. September 1970, starb der Rennfahrer Jochen Rindt beim Abschlusstraining für das Formel-1-Rennen in Monza. Der stets für Österreich angetretene Deutsche galt als der erste Popstar des Motorsports. „Er war der James Dean des Lenkrads“, sagt denn auch Rindts Freund Helmut Zwickl für Boris Poscharsky in die Kamera. Dessen halbstündige Dokumentation „Die Legende lebt“ strahlt am Sonntag das NDR Fernsehen aus.

Der Vergleich liegt beinahe schon zu nahe: Auch der Schauspieler Dean wurde ja zum Mythos, weil er so früh bei einem Autounfall starb. 28 Jahre alt war Rindt, als er tödlich verunglückte. Dass er als Rennfahrer nicht alt werden würde, wusste er – so erzählt es zumindest Poscharsky. Hinweise auf solches vermeintliches Wissen lassen sich im Nachhinein aber stets leichter finden und eindeutiger lesen als zu Lebzeiten. „Ich werde entweder Weltmeister oder ich bin hin“, soll Rindt etwa gesagt haben. Und seiner jungen Frau Nina versprach er, dass er nach der – postum zuerkannten – Weltmeisterschaft 1970 keine Rennen mehr fahren würde.

Auf alle, die den relativ sicheren – und vergleichsweise langweiligen – heutigen Formel- 1-Betrieb gewohnt sind, wirkt es wohl schockierend zu sehen, wie gefährlich der Sport in den 1970er-Jahren war. Bei fast jedem Rennen gab es damals Unfälle mit Verletzten, mehrere Todesfälle pro Jahr waren die Regel. Nach so einem tödlichen Unfall standen die Zuschauer dann für eine Gedenkminute auf – während schon weitergefahren wurde. Bei einem seiner Unfälle knallte

Rindt etwa in die Trümmer eines anderen Rennwagens, der kurz vor ihm in die Leitplanke gefahren war. Er sei sich manchmal vorgekommen „wie ein Kriegsberichterstatter“, sagt nun der Fernsehjournalist Lucky Schmidtleidner. Zu dessen Sendung „Motorama“ steuerte Rindt regelmäßig Kommentare bei – weshalb Schmidtleidners Kamera auch in den letzten Minuten vor Rindts Tod noch ein paar von dessen belanglosen Sätzen einfing.

Rindt war einer der ersten gefeierten Medienstars des Sports, und so gibt es viel Archivmaterial. Poscharsky bedient sich eifrig daran. Spätestens durch seine eigenen Interviews mit diversen heute über 70 Jahre alten Zeitzeugen wirkt der Film wie die Chronik eines angekündigten Todes: So erzählt etwa Schmidtleitner, wie er mit Rindt nachts durch Wien gerast ist – mit über 100 Sachen.

Dabei drängen sich Assoziationen auf zu den heute Nachrichten stiftenden illegalen, auch mal tödlichen Autorennen etwa auf dem Berliner Kudamm auf. Insofern kann einer wie Rindt genauso als tragischer Held gesehen werden wie auch ganz anders: als Macho voller Todessehnsucht. Und dann wirken die Nahaufnahmen von Rindts Ehefrau in den Sekunden nach dem tödlichen Unfall in ihrer voyeuristischen Distanzlosigkeit – obszön.

Der Film läuft am Sonntag um 23.15 Uhr im NDR Fernsehen und steht schon jetzt in der ARD-Mediathek online.