Martin Krauss
Über Ball und die Welt
: Belarus und der unfähigste Anwalt der Welt: die Uefa

Der nächste Kongress der Uefa findet im März 2021 statt – in Minsk/Belarus. Dort dürfte dann Staatspräsident Alexander Lukaschenko, ein Sportsfreund durch und durch, die gerne angereisten Fußballfunktionäre herzlich begrüßen.

Seit der Wahl am 9. August, als die unglaubwürdige Zahl von 80 Prozent Lukaschenko-Stimmen herausposaunt wurde, sind die Konflikte offen ausgebrochen. Auch viele Spitzensportler widersetzen sich dem Regime, und das schlägt immer brutaler zurück. Die Fußballprofis Pawel Rassolko oder Sergei Kaseka vom Zweitligisten FK Krumkat­schy Minsk wurden festgenommen, ebenso Anton Saroka, Nationalspieler und Stürmer bei FK Bate Borissow. Der frühere Torwart Jewgeni Kostjukewitsch sagte der ARD-Sportschau: „Wenn man einen Namen und eine Bekanntheit hat, dann ist es umso wichtiger, etwas zu tun.“

Halten wir fest: Viele weißrussische Profifußballer wehren sich gegen die Diktatur. Halten wir weiter fest: Die Uefa lehnt so etwas Simples wie die Verlegung eines Kongresses ab, weil ja, wie sie dem Deutschlandfunk mitteilte, nicht der Staatspräsident eingeladen habe, sondern der Fußballverband. Wie sehr Lukaschenko im Sport präsent ist, merkt man schon daran, dass er auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees ist. Und der Chef des Fußballverbands, Sergei Rumas, war noch bis Juni Premierminister.

Rumas passt zur Uefa wie ein Arsch auf einen luftleeren Fußball. Mitte August, als klar war, dass Lukaschenko sich kaum halten werde, versuchte er, via Social Media seinen Kopf zu retten. Auf Instagram teilte er mit, er unterstütze die Demonstratio­nen, und Rumas’ Ehefrau präsentierte auf ihrem Account bald ein Foto, das sie und ihren Mann zeigt, wie sie auf dem Dach eines Gebäudes stehen und sich mit Sympathie die Proteste anschauen.

Auf dem Dach hätte auch das Uefa-Exekutivkomitee stehen können, denn wohlwollend von oben nach unten auf die Demos blicken, das kann man da. Es war aber keiner von der Uefa auf dem Dach, denn die mussten sich ja fleißig um die Organisation ihrer Nations League kümmern. Da schlug vor wenigen Tagen Belarus auswärts Kasachstan 2:1 und hat immer noch Chancen, sich in diesem Uefa-Wettbewerb weiter nach oben zu arbeiten.

Viola von Cramon, Sportpolitikerin der Grünen, sagte zur Haltung der Uefa, es sei unverantwortlich, „wie hier weggeguckt wird“. Der Chor derer, die nun von Uefa, DFB oder auch dem IOC Handeln im Namen der Menschenrechte fordern, wird wieder lauter. Sympathisch, ja, aber langsam sollten sich hiesige Linksliberale die Frage stellen, warum der organisierte Sport das nicht tut. Man muss gar nicht bei Nazi-Olympia 1936 beginnen, das alle Funktionäre noch Jahrzehnte später super fanden, man kann auch an Olympia in Peking oder Sotschi, an die Fußball-WM in Argentinien, Russland oder Katar erinnern. Ein kritisches Wort zu Menschenrechten kommt deswegen nicht von den Sportorganisationen, weil denen Kritik strukturell fremd ist. Sportverbände sind keine demokratischen Organisationen, es gibt keine Willensbildung von unten bis hinein in nationale oder internationale Gremien. Diese Verbände passen zu jedem politischen System, auch und besonders zu Diktaturen.

Was die Menschen in Belarus machen, ist mutig und richtig. Was die Sportöffentlichkeit (wir!) leisten muss, ist, diese Menschen zu unterstützen. Wer Protest delegiert, noch dazu an die Uefa oder den DFB, der macht das, was schon seit Jahrzehnten nicht klappt. Es ist, als nehme man, um einen heiklen Gerichtsprozess zu gewinnen, den unfähigsten und diskreditiertesten Anwalt, der rumläuft.