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: Immer wieder Manu und ihr Spleen

Mein letzter Ausflug, bevor keine Ausflüge mehr möglich waren, ging Anfang März nach Hamburg, wo ich mir unter anderem in der Kunsthalle die Gruppenausstellung „Trauern“ angesehen habe. Der Besuch war schon von den äußeren Umständen umnebelt: Der Geruch von Desinfektionsmitteln lag in der Luft, ebenso das Gefühl, die Stimmung könnte jede Sekunde kippen.

An eine der Arbeiten aus der Ausstellung musste ich später oft denken. In dem Video „Manus Spleen 1“ (2000) begleitet Rosemarie Trockel junge Menschen auf einem Spaziergang über den Friedhof, während dem sich die titelgebende Manu in einen offenen Sarg legt. Angesichts all dessen, was kurze Zeit später in der Welt geschah, mutet dieser Plot freilich etwas unpassend an. Denken musste ich an Manu und ihren Spleen dennoch immer, wenn ich meine Runden über die Kirchhöfe am Halleschen Tor zog, was ich vor allem im Frühling sehr häufig getan habe. Meine liebsten Plätze dort sind das Grabmal der Else von Falckenberg – eine imposante Bogenarchitektur aus Marmor, auf der eine junge Frau ruht, deren Gewand dramatische Falten wirft – sowie eine Bank nahe den Gräbern der Familie Mendelssohn. Da ist es allerdings oft schon besetzt.

Friedhöfe, zumindest die historischen, sind nämlich die neuen Parks. Und darauf mussten sich Erstere erst einmal einstellen: Während Ende März in Berlin die evangelischen Friedhöfe tagelang schlossen – wegen „pietätslosen Verhaltens“ –, wurden in New York die Öffnungszeiten verlängert. Auch in Berlin öffneten sie bald wieder. Wo soll man denn auch hin, wenn man seine Ruhe und ein wenig Grün haben möchte? Ohne Garten, ohne den, wie andere behaupten „das alles gar nicht auszuhalten wäre“?

Noch lieber gehe ich inzwischen zu den Friedhöfen an der Bergmannstraße. Da ist mehr Platz und man kann sich sogar, ohne sich allzu pietätlos zu fühlen, am Rand ins Gras setzen oder legen. Ich habe keine Ahnung, wie es im vergangenen Jahr war, aber jetzt sieht man dort überall Leute flanieren. Vielleicht ist es Pragmatismus, vielleicht auch nicht, und es ergibt doch Sinn, dass es Leute zu Pandemiezeiten auf Friedhöfe zieht, auf der Suche nach einem anderen, weniger tabuisierten Umgang mit dem Tod zum Beispiel.

Die Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg versucht dazu übrigens beizutragen, etwa mit einer App mit Audiomaterial zu den dort Begrabenen. „Wo sie ruhen“ heißt sie. Gerne würde ich sie empfehlen, nur leider trägt der Sprecher die Texte so angestrengt vor, dass man kaum zuhören mag. Lieber selber lesen, geht auch im Liegen. Beate Scheder