Nicht endende Kopftuchdebatte

Erklärung des Justizsenators im Rechtsausschuss sorgt für Empörung bei SPD und Opposition

Von Susanne Memarnia

Welche Schlüsse zieht der Senat aus dem „Kopftuch“-Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von voriger Woche, was die Zukunft des Neutralitätsgesetzes angeht? Die Frage wurde am Mittwoch im Rechtsausschuss von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) gestellt. Dieser erklärte, die Koalition wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden. Im Bereich Justiz gebe es aber schon eine Änderung: Seit 1. August dürften Refererendarinnen mit Kopftuch auch hoheitliche Aufgaben als Staatsanwältinnen übernehmen, wenn ihr Ausbilder/ihre Ausbilderin in Robe neben ihnen sitzt. Die Neuigkeit sorgte im Anschluss an die Sitzung für helle Aufregung bei SPD und Opposition.

Das BAG hatte vor einer Woche das Berliner Neutralitätsgesetz, das LehrerInnen, PolizistInnen und Landesbediensteten im Justizwesen das Tragen von religiöser und weltanschaulicher Kleidung im Dienst verbietet, im Fall einer Lehrerin mit Kopftuch für verfassungswidrig erklärt (taz berichtete). Die Koalition ist in der Frage zerstritten, die SPD will am Gesetz festhalten, die Grünen mit Behrendt halten es für diskriminierend und wollen es ändern.

Die Neuerung für Referendarinnen im Justizwesen habe mit dem BAG-Urteil allerdings nichts zu tun, stellte Behrendts Sprecher, Sebastian Brux, am Donnerstag gegenüber der taz klar.Sie sei Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von Januar. Da hatten die RichterInnen die Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin mit Kopftuch zurückgewiesen.

Aus dem Urteil ergibt sich aber auch, dass sich aus dem Grundgesetz kein Zwang ergibt, „das Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder zu erlauben“.

Für Berlin haben daraus laut Brux die Präsidenten des Justizprüfungsamts und des Kammersgerichts beschlossen, die Ausbildung von JuristInnen anzupassen. „Wir wollen den Frauen mit Kopftuch eine Brücke bauen.“ Bislang war es RechtsreferendarInnen mit Kopftuch (oder Kippa) laut Neutralitätsgesetz untersagt, hoheitliche Aufgaben zu übernehmen, also etwa als StaatsanwältInnen vor Gericht Anklagen zu führen. Dies betrifft laut Brux jedes Jahr ein bis zwei angehende Juristinnen mit Kopftuch.

Seit 1. August dürfen sie dies, aber nur, so Brux, „unter ständiger und für Dritte offensichtlich erkennbarer Aufsicht, Beobachtung und Anleitung ihres richterlichen oder staatsanwaltlichen Ausbildenden ausüben“.

Die Neuigkeit Behrendts fand im Ausschuss am Mittwoch keine große Beachtung. Der Tagesspiegel witterte allerdings einen Skandal und befragte Politiker dazu. Die zeigten sich erwartbar empört: Behrendts „Alleingang“ sei nicht gut, befand Sven Kohlmeier (SPD), CDUler Sven Rissmann warf dem Justizsenator vor, „Fakten schaffen zu wollen“. Marcel Luthe (FDP) unterstellte Behrendt laut der Zeitung, er nehme „persönliche Ideologie wichtiger als die staatliche Pflicht zur Neutralität“. Nicht der Senator habe die Änderung beschlossen, sondern die beiden Präsidenten, sagte Brux der taz.