Das Henne-Ei-Phone

WIRTSCHAFT In einem der größten Patentprozesse der Geschichte bekämpft Apple den Konkurrenten Samsung. Der Konzern habe iPhone und iPad exakt kopiert. Samsung kontert, Apple habe von Sony Ideen geklaut

AUS LOS ANGELES JOHANNES GERNERT

Es steht einiges auf dem Spiel in diesem Prozess – für Apple und für Samsung. Deshalb schenken sich die Anwälte der Elektronik-Konzerne nichts. Manchmal betteln sie um den Einsatz von Beweismitteln. Selbst an prozessfreien Tagen ringen sie um Formalia, verschicken Schriftsätze, attackieren sich gegenseitig. Und der zentrale Vorwurf könnte härter nicht sein: Samsung habe nicht nur das Design, sondern das gesamte Nutzererlebnis von iPhone und iPad abgekupfert, sagt ein Apple-Anwalt am zweiten Tag des Prozesses. „Samsung hat Detail für Detail kopiert.“

Monopol auf ein Viereck?

Deshalb verlangt Apple in der Auseinandersetzung vor dem Gericht im kalifornischen San José 2,5 Milliarden Dollar von dem südkoreanischen Konzern. Es geht um aktuelle Smartphones und Tablets der Serie Galaxy. Sollte Apple Recht bekommen, könnte der Verkauf dieser Samsung-Produkte in den USA vorerst gestoppt werden. Samsung hatte Apple Marktforschern zufolge zuletzt bei den Verkaufszahlen für Smartphones überholt. Es ist ein Wirtschaftskrieg, der vor dem Gericht in Kalifornien ausgetragen wird, einer der größten Patentprozesse der Technikgeschichte.

Ein Monopol auf ein Viereck? Apple könne doch nicht einfach behaupten, es sei die einzige Firma, die ein Viereck mit einem großen Bildschirm verkaufen dürfe, so antwortete Samsungs Anwalt Charles Verhoeven auf Apples Vorwürfe: „Samsung ist kein Nachahmer. Samsung ist niemand, der den Trend verpennt, und dann billig imitiert.“ Ein Apple-Anwalt hielt dagegen und zeigte interne Samsung-Mails: „Lasst uns so etwas wie das iPhone entwerfen.“

Seit Tagen kursieren im Netz Vergleichsbilder aus dem Prozess, mit denen Apple demonstrieren will, wie exakt kopiert wurde. Die Samsung-Smartphones werden dabei in zwei Kategorien unterteilt: vor und nach dem iPhone. Die Modelle, die Samsung vorher auf den Markt brachte, wirken eckiger, und in Apples Präsentation haben sie auch keinen Touchscreen, der sich ohne Tastatur bedienen lässt. Die Darstellung ist allerdings etwas verzerrend, weil durchaus Touchscreen-Modelle von Samsung vor dem iPhone auf dem Markt waren. Samsung wollte weitere Bilder von alten eigenen Smartphones zeigen, reichte sie aber zu spät ein. Seitdem versucht Samsungs Anwalt John Quinn die Beweise doch noch in den Gerichtssaal zu kriegen. Er bettelte die Richterin an, er wurde laut: „Warum machen wir denn den Prozess hier?“ Keine Chance.

Noch während der Verhandlung allerdings veröffentlichten Samsungs Verteidiger die Bilder einfach trotzdem. Die Apple-Anwälte verlangten eine Rechtfertigung: Das sei ein bewusster Versuch, die Jury unlauter zu beeinflussen. Während der prozessfreien Tage am Mittwoch und Donnerstag forderten sie noch einmal Sanktionen. In den Medien lief der Prozess einfach weiter.

Samsungs Anwälte hatten außerdem versucht, den ehemaligen Apple-Designer Shin Nishibori als Zeugen vorzuladen, was ihnen nicht gelang, laut Samsung hat Apple das verhindert. Mittlerweile arbeitet Nishibori nicht mehr für Apple. Samsung hat gegen den Willen der Richterin auch Aussagen des Apple-Designers veröffentlicht, wonach er einen Entwurf des iPhones im „Sony Style“ machen sollten – ein Auftrag von Apple-Chefdesigner Jonathan Ive. Was Samsung damit beweisen will: Das Design, das man angeblich von Apple geklaut habe, stamme ursprünglich gar nicht von Apple, sondern von Sony, irgendwie.

Es kann sehr kompliziert werden, wenn man sich auf die Suche nach dem Ursprung einer Designidee macht. Und damit ist noch gar nicht die Frage beantwortet, ob es sich denn bei der iPhone-Form wirklich um das dekorative Element handelt, das in einem von Apples Patenten festgeschrieben ist – oder um eine Funktion? Und selbst wenn es um eine Form geht, sollte man sie überhaupt mit einem Patent schützen dürfen?

„Verdienen die Eigenschaften, um die es hier geht, wirklich so viel Schutz?“, fragt der Jurist Robin Feldman, von dem das Buch „Rethinking Patent Law“ stammt, im Magazin Wired.

Die Sache wird nicht einfacher dadurch, dass auch Samsung behauptet, Apple habe Patente verletzt – es geht dabei nicht ums Design, sondern um bestimmte Smartphone-Funktionen, etwa in Verbindung mit der 3G-Übertragungstechnik. Samsung hat erst begonnen, rechtlich dagegen vorzugehen, seit Apple klagt. Eigentlich sind die beiden Konzerne schließlich Geschäftspartner. Samsung liefert Apple Komponenten für seine iPhones, finanziell macht das 26 Prozent der Kosten eines iPhones aus, auch das ergab das Verfahren. Vieles hängt miteinander zusammen in diesem Wirtschaftszweig, nicht nur Designideen.

Am Freitag wird der Prozess fortgesetzt. Die spannende Frage jetzt: Wird Samsung für seine außergerichtlichen Sperenzchen von Richterin Lucy Koh bestraft? Frühestens Mitte August dürfte die neunköpfige Jury dann entscheiden, wahrscheinlich eher später. Die Richterin hat die Zeit, die jede Partei erhält, um ihre Zeugen und Beweise zu präsentieren, vorsorglich begrenzt: auf 25 Stunden pro Seite.