Irritationen wegen Kündigung: Christen gegen Christen

Die Bremische Evangelische Kirche hat eine afrikanische Gemeinde auf die Straße gesetzt, weil sie an die koptisch-orthodoxe Kirche verkaufen will.

Der koptische Bischof Anba Damianschwenkt Weihrauch

Der koptische Bischof Anba Damian bei der Arbeit Foto: Andreas Fischer/Imago

BREMEN taz | Pastor Sunday Raphael Olabisi ist „ratlos“. Seine afrikanische Christen-Gemeinde ist ab 1. September heimatlos. Vertrieben von der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) – zugunsten von koptischen ChristInnen.

Seit 2018 nutzt die afrikanische Worshipper-Gemeinde das ehemalige Gemeindehaus der evangelischen Versöhnungsgemeinde in Hemelingen, einen sanierungsbedürftigen 50er-Jahre-Bau in der Christernstraße. Sie wollten die Immobilie, für die sie derzeit nach Angaben der Zwischenzeitzentrale (ZZZ) monatlich 650 Euro Miete bezahlen, nach eigenen Worten auch kaufen – die Rede ist von 420.000 Euro. Seine Gemeinde habe auch das nötige Geld, versichert Olabisi.

Doch nun soll das Gemeindehaus, zu dem auch die ehemalige Küsterwohnung gehört, an die koptisch-orthodoxe Kirche verkauft werden. Deren Priester ist schon eingezogen, wie der zuständige Bischof Anba Damian bestätigt. Eigentlich dachte Pastor Olabisi, er könnte hier mit seinen fünf Kindern wohnen. Nun, sagt er, wisse er nicht mal, wohin mit all den Sachen seiner Gemeinde. Oder wo die sich treffen soll. „Das ist alles schwer verständlich“, sagt Olabisi.

Bis zum Herbst 2018 saß seine Gemeinde in einer alten Lagerhalle neben einem Swingerclub, erzählt Daniel Schnier von der ZZZ – der hat den Worshippern das Gemeindehaus zur Zwischennutzung vermittelt, mit der Hilfe des Hemelinger Ortsamtsleiters Jörn Hermening. Damals schon war klar, dass dieses Gebäude verkauft werden würde. An die afrikanische Gemeinde – dachten Schnier und Olabisi. „Die Infrastruktur da ist perfekt“, sagt Schnier: „Das werden die nie wieder finden.“ 170 Mitglieder zähle die Gemeinde, sagt der Pastor. Zu Gottesdiensten kämen auch mal 200 Menschen.

Die Worship- oder zu Deutsch Lobpreis- und Anbetungsbewegung gehört zu den neocharismatischen christlichen Kulten. Sie ist Teil des evangelikalen Spektrums und weist starke Überschneidungen mit den Pfingstlergemeinden auf, ohne mit ihr ganz zusammenzufallen. Vor allem zeichnet sie sich durch ihre popmusikalisch geprägten Gottesdienste aus, die Loblieder als zentralen Bestandteil der Verkündung nutzen. Klassische filmische Referenzen sind die Sequenz „Do You See the Light?“ mit James Brown in „The Blues Brothers“ (1980) und Robert Duvalls Meisterwerk „The Apostle“ (1996).

Kopten sind Christen, die als Gottesdienstsprache eine späte Form des alten Ägyptisch nutzen: Der Name leitet sich aus der arabisch-modifizierten Fassung der altgriechischen Bezeichnung für Ägypter ab. Mit drei Stunden Gottesdienstdauer gilt sie als kurz für orthodoxe Messfeiern, Prozessionen werden gerne veranstaltet. Ihre Theologie ist geprägt durch ausufernde Marienverehrung und das Dogma, Jesus sei immer gleichzeitig Mensch und Gott gewesen. In ihrem Herkunftsland werden Kopten massiv verfolgt. Mehr als die niedliche Dokumentar-Komödie „Die Jungfrau, die Kopten und ich“ (2011) lohnt sich Osama Fauzys autobiografischer Film „Ich steh auf Kino“ (2004).

Im vergangenen Dezember traf sich Schnier mit VertreterInnen der Worshipper und der BEK, erzählt der ZZZ-Sprecher – im Franziuseck, wo die Bremische Evangelische Kirche ihren Sitz hat. Empfangen worden sei man trotz der Kälte aber nur im Flur, neben dem Kaffeeautomaten – angeblich, weil es kein Besprechungszimmer gegeben habe. So erzählt es Daniel Schnier. „Das war krass“, sagt er, und „sehr befremdlich“.

Er habe „das Gefühl“, dass die BEK ihre Immobilie nie habe an seine Gemeinde verkaufen wollen, sagt Olabisi: „Die nehmen uns nicht ernst.“ Zuletzt bat er um eine kurze Fristverlängerung für den Auszug – das wurde abgelehnt, so Olabisi. Stattdessen kam der Hinweis, dass die EigentümerInnen auch das Recht hätten, die Schlösser am Gemeindehaus auszutauschen.

Matthias Dembski von der BEK spricht von „fortgeschrittenen Verkaufsverhandlungen“ und einem „transparenten Verfahren“. Zum Kauf gehöre auch „eine tragfähige Finanzierung“, so Dembski, ein „schriftliches Kaufangebot als ernsthafte Interessenbekundung“ der Worshipper sei bei der BEK aber „zu keinem Zeitpunkt eingegangen“. Nicht mal einen unterschriebenen Mietvertrag habe es gegeben. Die Nutzung sei aber zwei Mal verlängert und zwei Mal „ordentlich gekündigt“ worden. „Dass die Nutzungsmöglichkeit nun tatsächlich beendet wird, kann niemanden überraschen“, so Dembski.

Die Worshipper-Gemeinde habe „mehrfach auf ihr Kaufinteresse hingewiesen“, sagt indes Schnier. Und ob die koptisch-orthodoxe Kirche je hier einziehen wird, ist bislang noch völlig unklar: Diözesanbischof Anba Damian aus dem koptischen Kloster in Höxter-Brenkhausen bestätigt zwar sein Interesse an der Immobilie in Hemelingen. Das Geld habe er aber nicht zusammen. Man sammele Spenden, sagt Damian auf Nachfrage: „Keine Gemeinde hat das Geld schon in der Tasche.“

Derzeit ist die koptisch-orthodoxe Kirche nur zu Gast bei einer anderen Gemeinde. Dabei gebe es schon seit 40 Jahren eine koptische Gemeinde in Bremen, sagt Damian, 70 Familien gehörten dazu, zuzüglich jenen, die noch zu der alt­orientalischen Kultgemeinschaft gehören. Kontakt zu der afrikanischen Gemeinde von Pastor Olabisi habe er keinen, sagt der Bischof: „Ich weiß, dass dort gebetet wird.“ Einmal seien die neuen KaufinteressentInnen zur Besichtigung gekommen, erzählt wiederum Olabisi. Während des Gottesdienstes.

Dass er überhaupt mal den Grundriss und die Pläne des Gemeindehauses zu sehen bekam, verdankt der Pastor dem Hemelinger Ortsamtsleiter, erzählt Olabisi – die BEK habe sie ihm nicht direkt geben wollen, nur Jörn Hermening.

„Abwehr unter dem Deckmantel des Zuhörens“

„Die wurden nie ernst genommen“, sagt Schnier, der vermitteln will: „Das ist Abwehr unter dem Deckmantel des Zuhörens.“ Schnier wirft der BEK mangelnde Transparenz vor und ein „sehr fragwürdiges“ Gebaren. Von Rassismus bei der BEK will er nicht sprechen: „Eine christliche Vereinigung sollte nicht rassistisch sein“, sagt er nur. Zwar habe ihm die BEK zugesichert, „auf jeden Fall“ helfen zu wollen, sagt Olabisi. Passiert sei dann aber nichts. Derzeit könne die BEK der Worshipper-Gemeinde „keine Ersatzräume anbieten“, sagt Dembski.

Vielleicht sind die Vorbehalte gegen die Worshipper eher andere – ihre Gottesdienste sind nicht nur lang, sondern dank Schlagzeug auch mal laut. Es gab deshalb schon Beschwerden von NachbarInnen, die sich in ihrer Sonntagsruhe gestört fühlten, der Weser-Kurier berichtete. Auch Kopten feiern lange Gottesdienste. Aber eben leiser.

Jetzt ist Ruhe: Am Montag musste Olabisi seine Schlüssel abgeben.

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