Bremer Enquete-Kommission Klimaschutz: Der Weg zur grünen Energie

Um klimaneutrale Energieversorgung drehte sich die vierte Sitzung der Enquete. Die Entwickler des alten Kellogg-Geländes zeigen, wie es gehen kann.

Das alte Kellogg-Gelände.

Das alte Kellogg-Gelände: Hier entsteht ab 2021 das ökologische Quartier „Überseeinsel“ Foto: dpa

BREMEN taz | Sie protestieren gegen die zu lasche Klimaschutzpolitik des Senats: Extinction Rebellion, Greenpeace, Fridays for Future. Wie bei bisher jeder Sitzung der von der Bürgerschaft eingesetzten Enquete-Kommission Klimaschutz, die sich aus Abgeordneten und Expert*innen zusammensetzt.

„Ich kann nicht, ich will nicht, schickt mich in die Bürgerschaft“, rufen die mehr als 20 Aktivist*innen den Politiker*innen zu, die am Freitagnachmittag nacheinander in der Flakes Eventfabrik auf dem alten Kellogg-Gelände in der Überseestadt verschwinden. Einige bleiben stehen, wie Arno Gottschalk oder Carsten Sieling (beide SPD). „Sie sagen natürlich, sie tun viel“, sagt ein Protestierender nach dem Austausch. „Aber was sollen sie auch sonst sagen?“

Wie eine nachhaltige Energieversorgung in Zukunft aussehen kann, erklärt Klaus Meier der Kommission. Er ist Geschäftsführer der Überseeinsel GmbH und Vorstandsvorsitzender der WPD AG, die für die Entwicklung des neuen Stadtteilquartiers auf dem alten Kellogg-Gelände zuständig ist. Auf 150.000 Quadrat­metern werden hier Tausende Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen.

Für eine klimaneutrale Energieversorgung werde es ein Warm- und ein Kaltwassernetz geben, sagt Meier. „Zum Heizen und Kühlen.“ Das Wasser komme dann aus der nahe gelegenen Weser; Wärmetauscher wandeln elektrische in thermische Energie um. Denn letztere lasse sich in großen Tanks besser speichern. „Die Herausforderung bei Sonne und Wind ist“, so Meier, „dass beide schwankend zur Verfügung stehen“.

Christian Maaß, Hamburg-Institut

„Eine langfristige Planung muss Regierungswechsel überdauern“

Der Strom für die Anlage werde je zur Hälfte aus Wind und Sonne gewonnen: Von Photovoltaikanlagen auf den Dächern der neuen Überseeinsel und von einer Windradanlage am Stahlwerk. Letzteres werde aber nur bilanziell für den Strom sorgen, nicht auf direktem Wege. „Autark sind wir damit aber noch nicht“, sagt Meier. „Wir werden darüber hinaus­ Energie benötigen.“ Damit auch die Garage des Quartiers stets funktioniert, welche eine Ladestation für Elektroautos und -räder haben wird.

Von der Politik wünscht sich Meier eine bessere Transparenz der bestehenden Regularien rund um die Energiewende. „Steuerrecht scheint mir viel logischer zu sein.“ Das größte Potenzial des Landes sieht Meier aber in der Wirtschaftsförderung. „Da ist Bremen momentan ganz schwach, weil man Angst hat, mit Auflagen Ansiedlungen zu verhindern.“

Neben innovativen Projekten wie der Überseeinsel braucht es aber vor allem eins: den Kohleausstieg. Immerhin pusten Bremens drei Steinkohlekraftwerke jährlich 2,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft, sagt Felix­ Matthes­ (Öko-Institut). Oft werde behauptet, man könne als Land gar nichts dazu beitragen, ergänzt Kommissionskollege Patrick Graichen (Agora Energiewende). „Aber man könnte die Genehmigungen entziehen.“

Für Torsten Köhne, Vorstandsvorsitzender der SWB, klingt das sicher nicht verlockend. Aber der Kohleausstieg sei für ihn ohnehin schon „emotional erledigt“. Die Frage sei nur noch, wann. Er berichtet in der Enquete über die Pläne des Unternehmens. Zumindest teilweise – denn an welcher der Auktionen­ der Bundesnetzagentur die SWB mit dem Standort Hafen teilnimmt, verrät er nicht; ein „wettbewerbsrelevantes Betriebsgeheimnis“.

Dabei sei das für die Planbarkeit nicht unwichtig, gibt Jens Eckhoff (CDU) zu bedenken. „Und genau deswegen sitzen wir ja hier.“ Bei den Auktionen geht es um eine Entschädigung für das Stilllegen von Kraftwerken – wer gewinnt, geht früher als andere vom Netz.

Für Graichen ist der Ausbau der grünen Fernwärme, wie bei der Überseeinsel, ebenfalls essenziell für die Energiewende. Dafür brauche es einen deutlichen Ausbau der Netze, deren Verbindung und die Erschließung von Neubauquartieren, sagt Köhne. Er sieht die Option einer klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2050.

Für den Ausbau von Photovoltaik braucht es Dächer

Fernwärme brauche eine langfristige Planung, ergänzt Christian Maaß, Geschäftsführer des Hamburg-Instituts, der sich mit dem Kohleausstieg in der Fernwärme auseinandersetzt. „Und sie muss Regierungswechsel überdauern.“ Die Zukunft der grünen Fernwärme sieht er in Müllverbrennung und Wärmepumpen, betrieben mit erneuerbaren Energien. „Biomasse ist eigentlich zu schade dafür.“

Auch im Bereich Photovoltaik sei noch viel zu holen, so Graichen. Um den Ausbau in Bremen voranzubringen, brauche es eine bessere Energieberatung, sagt Inse Ewen von der Verbraucherzentrale. „Infos müssen zugänglicher gemacht werden.“ Denn wer in Bremen eine Photovoltaik-­Anlage installieren will, müsse aktuell sehr motiviert sein. Dennoch sei die Entwicklung rasant: 2019 wurden 124 neue Anlagen installiert, in der ersten Jahreshälfte 2020 schon 128.

Eine große Rolle beim Ausbau müsse auch Immobilien Bremen spielen, fordert Magnus Buhlert (FDP). „Privathaushalte machen hier ja nicht den großen Wurf.“ Er will Tempo und Anlagen auf den großen Dächern der Stadt. „Wenn man da die Handelskammer mitnimmt, müsste das doch schnell gehen.“

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